Dass Jamie Lidell als Künstler selten das machen will, was man von ihm erwartet, bewies er schon letztes Jahr auf dem Berlin Festival. Zur Überraschung vieler stand er da in der Arena XBerg auf der Bühne, begleitet von drei Musikerkollegen, mit denen er unter dem Projektnamen „Mostly Robot“ Elektro- und Hiphopmashups, Breakbeats und wilde Scratcheinlagen zum Besten gab, immer wieder untermalt von der prägnanten Stimme des britischen Sängers.
Nicht überraschend also, dass sich Lidell auf seinem neuen, selbstbetitelten Album von den Soulklängen früherer Jahre entfernt hat. Wer so viel Soul in der Stimme hat, muss kein Soulalbum mehr aufnehmen. Und so geht es zurück in die späten 70er- und 80er-Jahre, zurück in die Zeit der Voiceboxen, Vocoder und analogen Synthesizer. Legenden und Sternchen der damaligen Zeit wie Mtume („Juicy Fruit“, anyone?), Cameo, New Jack Swing, Bobby Brown (ja, den gab es in der Tat vor seiner Zeit mit Whitney Houston) und George Clinton nennt Lidell als Hauptinspirationen für sein Album, in der Tat klingt er darüber hinaus auch immer wieder nach Stevie Wonder zu seinen besten Zeiten in den 1970s, gepaart mit jeder Menge knackigem Electrofunk und ein paar Ausflügen in zeitgemäße Dubstep-Arrangements. Heißt: unverschämt groovende Synthiebässe, hart klatschende Drums und dazu der unverkennbare Gesang Lidells. Das wirkt letztlich weder ausgenudelt oder verkrampft retro noch krampfhaft hip, sondern nach unheimlich viel Groove, Funk und Soul.
As funky as Prince ever wanted to be. Kurzum: Großartiger Künstler, exzellentes Album.
Ohr d’oeuvre: It’s A Shame / Do Yourself A Favor / You Naked / You Know My Name
VÖ: 15.02.2013; Warp Records/ Roughtrade
Tracklist:
01. I’m Selfish
02. Big Love
03. What A Shame
04. Do Yourself a Faver
05. You Naked
06. why_ya_why
07. Blaming Something
08. You Know My Name
09. So Cold
10. Don’t You Love Me
11. In Your Mind
Gesamteindruck: 9/10