Wie in jedem Jahr bahnt sich das Festival an Tag 3 dem jähen Ende zu. So blitzschnell wie der Festivalalltag begonnen hat, so hört er auch wieder auf. Das volle Programm für den Tag lässt betrübte Stimmung gar nicht erst aufkommen. Abermals fällt der Startschuss um 11:30 Uhr. Die Sonne hat zu diesem Zeitpunkt fast ihren Zenit erreicht. Das Hoch der Gefühle macht sich beim Publikum abermals erst gegen Abend breit. Dennoch ist man auch ohne etwas getan zu haben schweißgebadet. Das hat jedoch andere Gründe, wie es die Besucher den gesamten Tag über feststellen müssen.
Und auch dieses Jahr fällt am Sonntagmittag der Vorhang. Der bis dato noch namenslose Act wird bekanntgegeben. The Great Crusades, eine Band aus Chicago, die musiktechnisch zum alten Eisen gehört. Klingt böse, ist aber nicht so gemeint. Schließlich müssen sie nicht befürchten mit ihrem unverkennbaren Stil bald auf den Musikschrottplatz ausrangiert oder gar ersetzt zu werden. Der Umstand, beim Veranstalter-Label unter Vertrag zu sein und durch den Support der vielen angereisten Mid-Fourties verleiht der Band auch weiterhin die nötige Aufmerksamkeit um sicher noch weitere acht Alben zu veröffentlichen. „Stauenswert frisch“ wie andere titeln ist die Band mit ihrem „Eck-Rockkneipen-Sound“ dennoch nicht. Das Ehepaar und Gesangsduo in einem vereint betritt als nächster Act die Bühne. Ruth und Brookln Dekker alias Rue Royale strahlen nicht nur die innere Ruhe aus, sondern sind die personifizierte Gelassenheit. Vielleicht macht das auch den Umstand aus, dass sie als Paar gemeinsam ihrer Leidenschaft folgen können und aufgrund langjähriger intensiver Zusammenarbeit ein eingespieltes Team sind.
Rue Royale
Zu einer Zeit, an der sonst eher die totale Gelassenheit mit Tee und Kuchen dominiert, spielen Keston Cobblers Club und David Lemaitre. Keston Cobblers Club stammen, wie es der Name verlauten lässt aus Keston. Ihr Stil ist eine Mische aus Genre Folk, Indie und Foot-Tapping. Letzteres haben sich diese selbst zugeteilt. Tradtional Folksound mit Akkordeon, Fidel und guter Laune im Gepäck würden wir es nennen.
Keston Cobbler’s Club
Der nächste Act überzeugt danach auf ganzer Linie. David Lemaitre gibt gleich zu Beginn ein Schwenk aus seiner Biographie bekannt und erzählt davon, wo und wie er aufgewachsen sei. Das verleiht ihm eine sehr sympathische Note und man kann sich indes direkt mit ihm gleichstellen. „Er ist einer von uns“, denkt man nun, nur ist er mit einem besonderen Talent gesegnet: Seiner Stimme. Mal filigran, mal nachdenklich und auch schon mal Kopfstimme, die erschreckend hoch für einen Mann ausfällt. In jeglichen Situationen fühlt sich David ein. Es ist schön, ihm dabei zuzuschauen. Wer jetzt denkt, man habe es mit einem Singer-Songwriter zu tun, der nur Trübsal blasen kann und nur sozialkritische Textphrasen aneinanderreiht, irrt. Der letzte Song handelt zum Beispiel von einem Traum mit ihm und Megan Fox auf einer Party, den der Wahlberliner während eines Fluges hatte. In eine Schublade kann man ihn und seine Musik schon mal nicht verfrachten.
David Lemaitre
Ein bunter Indie-Rock-Zug aus den USA brettert danach schnurstracks auf die Bühne. Das Bandprojekt von Stephen McBean Pink Mountain Tops bildet eine Art künstlerische Entfaltung zu seinem sonst eher sehr rauen und düsteren Projekt Black Mountain. Mit prominenter Verstärkung von verschiedenen Musikern, die sonst Cat Power und Wolfmother bereichern, wird ihr Lo-Fi/Indie-Rock Sound auch heute gleich viel explosiver zur Schau gestellt.
Pink Mountain Tops
Es ist 19:15 Uhr und die letzten drei Acts des Festivals stehen an. Label- und Glitterhouse-Villa-Chef Rembert selbst verkündet, dass einem mittlerweile der 300. Act zuteil wird. Birth of Joy, Gallon Drunk und Wallis Bird runden das finale Abendprogramm ab. Entgegen aller Erwartung haben sich gefühlt noch mehr Festivalbesucher am letzten Tag auf dem Gelände eingefunden. Die Sehnsucht, zurück ins gute Stüblein einzukehren zu wollen, ist nicht vorhanden. Birth of Joy sind es auch, die nun mehr Besucher im Glitterhouse Gärtchen begrüßen dürfen. Und wieder einmal sind es Niederländer. Das klingt nach geringer Wertschätzung, ist es aber nicht. Nur hatte man bislang nicht auf dem Schirm, dass unsere Nachbarn im Musikbusiness derart stark vertreten sind. Ein Land, in dem Musikgeschichte geschrieben wird, ist es dennoch nicht. Hingegen gibt es dort Nachahmer, wie Birth of Joy, die sich den 70er Jahre Rocksound auf die eigene Fahne schreiben. Nichts revolutionäres, kein besonders prägnanter Auftritt. Anders als bei den nächsten beiden Künstlern des Abends. Gallon Drunk aus England vereint gleich mehrere Musikstile in einem. Ihre Musik ist eine Kombination aus Punk-Rock, Blues und auch ein Hauch Rockabilly schwebt in der Luft, des nun nicht mehr gepflegten Vorstadt-Gartens. All der Beifall und Jubel, der der Band zuteil wird zeigt auf, dass bei diesem Act erneut Männerherzen aufgehen. Zumindest bekennen sich diese lautstark dazu.
Bleibt man beim Thema Kampf der Geschlechter, so wird beim letzten Act, die Frauenquote vermutlich höher gewesen sein. Die erfahrenen OBS Besucher dürften sich noch an den Auftritt von Wallis Bird von 2011 erinnern. Damals wirbelte die irische Gute-Laune-Sängerin noch als erster Act der Veranstaltung umher. Was für eine Veränderung nun drei Jahre später. Weder eine optische Veränderung hat stattgefunden, noch hat sie an Charme und die Freude zur Musik verloren. Ganz im Gegenteil. Sie kommt gereifter denn je daher und bezieht das gesamte Publikum mit ihrer enormen Bühnenpräsenz ein. Das Publikum dankt es ihr. Auch andere Interpreten des Tages, wie David Lemaitre mauserte sich als Fan der quicklebendigen Irin. Das Publikum rastet komplett aus. Und wieder einmal zeichnet sich das gutaufbereitetet Line-Up aus.
Wallis Bird
Es ist Mitternacht. Erschöpfte und erwartungsvolle Gesichter blicken nun zur Bühne empor. Rembert betritt die Bühne, bedankt sich beim Publikum und Helfern und verkündet die Auflösung seines jährlich wiederkehrenden Witzes. Es ist kein Witz, dass ab genau diesem Zeitpunkt der ganze Spaß vorbei ist und man nun ein Jahr auf die 19. Ausgabe warten muss. Wie auch in jedem Jahr steigt die Neugier darauf, welche Bands, welches Motto und welches Wetter einen zu Pfingsten erwarten wird. Mottos gab es schon reichlich. Das Orange Blossom Special erfreut sich großer Beliebtheit. Somit wird der Leitspruch nach „Bleiben“ und „Hingabe“ sicher nicht „Sättigung“ lauten. Genug haben wir alle noch nicht von diesem kleinen, schönen Festival.
Fotos: Juli L.
Hier geht’s zum 1. Tag und auch zum 2. Tag des OBS 2014.
Mehr zum Orange Blossom Special Festival