Various Artists – Mach´s besser: 25 Jahre Die Sterne
Aus Freude über 25 Jahre Bandhistorie haben sich Die Sterne ein Album zusammenkuratiert, das nur Coverversionen ihrer eigene Stücke enthält, gespielt von Künstlern, die man dazu einlud. Verleiht sich Frank Spilker hier etwa selber den Ehrenpreis für´s Lebenswerk?
Überzeugtheit von der eigenen künstlerischen Daseinsberechtigung benötigt es schon für ein derartiges Projekt. Aber keine Frage: In einige Stücke reingehört und schon weichen alle Zweifel. Was Beatles und die Stones für die Welt sind, sind Die Sterne mit Tocotronic und Blumfeld gefälligst für Jeden, der sich seit den Neunzigern für Musik mit deutschen Texten abseits der Charts begeistern konnte.
Restliches Unbehagen beseitigen dann die 24 (!) vielfältigen Coverstücke selber. Dass „Wenn Dir St.Pauli auf den Geist fällt“ in der Stereo Total-Fassung erfreulich würde, überrascht kaum. Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen groovt sich durch eine passt-wie-Faust-auf-Auge Interpretation von „Widerschein“, als hätten Superpunk das Stück seinerzeit nur vorübergehend an Die Sterne ausgeliehen. Peter Licht lässt ein reduziertes „Universal Tellerwäscher“ als andächtige Hommage an das Original erklingen. Dazu findet sich einiges an, im weitesten Sinne, Elektronischem, das den Sterne-Songs schon immer gut stand. Für den Teil der Hörerschaft, der das jüngere Musikgeschehen vielleicht nicht mehr so aufmerksam verfolgt wie vor 25 Jahren, hält MACH´S BESSER zudem mit Bürgermeister der Nacht, Lafote, Isolation Berlin, Kreisky und Nicolas Sturm noch wertvolle Weiterhörtipps bereit. Das garnieren Die Aeronauten, die Rick McPhail-Band Mint Mind und die verehrten Fehlfarben noch mit ein paar unbeirrt druckvollen Rockbrettern.
Also gibt es hier gar nichts zu bemängeln? Das gute Niveau wird in zwei, drei Fällen nicht erreicht und insgesamt hätte man sich noch den einen oder anderen „Fast Weltweit“-Vertreter unter den Künstlern gewünscht. Aber die Sturköpfe sind wohl hartnäckig geblieben. Es bleibt eine Covercompilation, die Dank Bandbreite und Qualität zu den Interessanten ihrer Art gehört. Klammer zu.
VÖ: 10.Februar 2017, Materie Records/GoodToGo, http://www.diesterne.de
Ohr d’Oeuvre: Universal Tellerwäscher – Peter Licht/ Nach fest kommt lose – Fehlfarben/ Wahr ist was wahr ist – Lafote
Gesamteindruck: 7,5/10
Tracklist: Deine Pläne – Nicolas Sturm/ Depressionen aus der Hölle – Björn Beton/ Aber andererseits – Kreisky/ In diesem Sinne – Family 5/ Wenn dir St.Pauli auf den Geist fällt – Stereo Total/ Universal Tellerwäscher – Peter Licht/ Ich will nichts mehr von dir hören – Max Müller/ Scheiß auf deutsche Texte – Egotronic/ Passwort – Die Zimmermänner (Detlef Diederichsen)/ Irrlicht – Isolation Berlin/ Stell die Verbindung her – Mint Mind/ Risikobiographie – Die Aeronauten/ Klebrig Vermutlich – Der Mann/ Anfang verpasst – Locas In Love/ Ihr wollt mich töten – The Blood Arm/ Bis Neun Bist Du O.K. – Naked Lunch/ Widerschein – Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen/ Am Pol der Macht – Der Bürgermeister der Nacht/ Ganz normaler Tag – Lambert/ Abstrakt – Kiesgroup/ Die Interessanten – Boy Division/ Wahr ist was wahr ist – Lafote/ Nach Fest kommt lose – Fehlfarben/ Nüchtern – Die Zimmermänner (Timo Blunck)
(tj)
Schnipo Schranke – Rare
Dass die Popularität von Schnipo Schranke in den letzten drei Jahren schlagartig anstieg, ist eine der seltsamen Eigendynamiken der Indie-Musikszene. Ihre Stücke begeisterten einst Rocko Schamoni und Frank Spilker, wodurch dem Duo die Möglichkeit gegeben wurde vor größerem Publikum zu spielen um es, genauso wie die Kritiker, zu überzeugen. Der Zweitling RARE mit dem typischen Postindiepop erschien im Januar.
Mit diesem Album setzen Schnipo Schranke konsequent den eingeschlagenen Weg fort. Die Stücke werden von minimalen Synthie-Rhythmen, Klaviermelodien, dem Schlagzeug, das an Peter Behrens von Trio erinnert, und dem eingängigen Gesang der beiden Bandmitglieder getragen. Die Texte variieren zwischen pubertierenden, sexualisierten Reimschemen bis hin zu kritischen Textsequenzen, die gängige Klischees der heutigen Medial-Gesellschaft bloßstellen. Wieviel Menschen den Zugang zu der dekonstruktivistischen Popmusik erhalten, bleibt abzuwarten. Bestätigt werden kann hingegen, dass sich diese Musik von der Masse abgrenzt. Schnipo Schranke polarisieren mit RARE.
Von den 11 Songs bleiben neben dem Intro auf dem Album drei in Erinnerung. „Herr Schulz ist tot“ brilliert durch eine wunderschöne Melodie, die im Refrain einen Groove entwickelt, der mehr als nur zum Mitwippen einlädt. Bei „Gast“ steht weniger die Musik, als der Text im Vordergrund. Schnipo Schranke skizzieren aus Sicht einer liebenden Person die Tragödie, die sich ergibt, wenn die begehrte Person in einer unerreichbaren Dimension schwebt. Hoffnungen, Gedankenspiele, Unsicherheiten und die Verzweiflung selbigen Zustandes werden in diesem Song pointiert angeführt. Zuletzt verharrt „Murmelbahn“ im Ohr. Die Beliebigkeit des Seins im Winter wird aus depressiver Perspektive beschrieben und die Rettung aus dieser Situation bringen infantile Freuden.
Das Album spricht jeden einzelnen Hörer individuell an und zwingt ihm eine Reaktion ab, es zu mögen oder zu verfluchen. Aber es ist konsequent eigen – und das ist in der oftmals beliebigen Masse an Musik ein Alleinstellungsmerkmal, was nicht zu verachten ist.
VÖ: 27. Januar 2017, Buback, https://www.buback.de/schnipo-schranke.php
Ohr d’Oeuvre: Herr Schulz ist tot/ Gast/ Murmelbahn
Gesamteindruck: 6/10
Tracklist: Intro/ Pimmelreiter/ Wieder alleine/ Herr Schulz ist tot/ Gast/ Haschproleten/ Stars/ Murmelbahn/ Dope/ Ritter in der Nacht/ Immermehr/ Sag niemals ihh
(kof)