Father John Misty – Pure Comedy
Dass es beim Album „Pure Comedy“ von Father John Misty nicht um puren Spaß gehen würde, war klar. Dass er mit dem dritten Soloalbum nach dem temporären Einsatz als Schlagzeuger bei den Fleet Foxes aber ein derartiges Monstrum von Weltenklage vorlegt, überrascht dann doch ein wenig.
Schließlich widmete sich die vorherige Veröffentlichung I LOVE YOU, HONEYBEAR noch so einem erfreulichen Sujet wie der Beziehung zu seiner Frau und war zwar bei weitem nicht oberflächlich oder sorglos, strahlte aber unterm Strich eine gute Portion Zuversicht aus. Doch von Liebe und Wohlwollen ist bei den neuen Stücken nichts mehr übrig geblieben. Stattdessen sind die Texte durchtränkt von angewiderter Ablehnung des gesellschaftlichen Unterhaltungs- und Meinungskonsens. Dabei wendet er sich weniger gegen die einzelnen Protagonisten dieser Entwicklung, sondern richtet seine Klage an die Masse, die ihnen folgt: „I hate to say it, but each other is all we got“. Nächstenliebe klingt anders! Die inhaltliche Sperrigkeit findet ihre Entsprechung in Stücklängen von bis zu zehn („So I´m Growing Old On Magic Mountain“) und dreizehn Minuten („Leaving LA“). Musikalisch hat das zur Folge, dass die Schubiduwabwab-Chöre des Vorgängers nun langgezogenen Aahs und Oh-ohs gewichen sind, das Piano begleitet meistens ruhig bis sehr ruhig und die flankierenden Effekte dienen dazu das Grollen zu verstärken.
So gibt Father John Misty auf PURE COMEDY so etwas wie eine finstere Version von Billy Joel zum Besten. Ohne Zweifel hat er einen kritischen Geist und verfügt über ein Talent für anspruchsvolles Songwriting. Im besten Fall füllen seine nächsten Alben einen Teil der Lücke, die einst Bob Dylan hinterlassen wird.
VÖ: 7.April 2017 (Bella Union / [PIAS] Cooperative, http://www.fatherjohnmisty.com
Ohr d’Oeuvre: Pure Comedy/ Total Entertainment Forever/ Leaving LA
Gesamteindruck: 7/10
Tracklist: Pure Comedy/ Total Entertainment Forever/ Things That Would Have Been Helpful To Know Before The Revolution/ Ballad Of The Dying Man/ Birdie/ Leaving LA/ A Bigger Paper Bag/ When The God Of Love Returns There’ll Be Hell To Pay / Smoochie/ Two Wildly Different Perspectives/ The Memo/ So I’m Growing Old On Magic Mountain/ In Twenty Years Or So
Goldfrapp – Silver Eye
In den letzten Jahren war es sehr ruhig um Goldfrapp in Person von Alison Goldfrapp und Will Gregory. Im Januar wurde mit SILVER EYE das sechste Studioalbum angekündigt, welches zehn neue Stücke umfassen sollte. Für die britische Elektro-Synthiepop-Band ist es die erste Veröffentlichung seit dem 2013er Werk TALE OF US.
Die lange Wartezeit hat sich gelohnt. Die Band fügt eingängige Synthie-Melodien, groovende Loops und sehr bedacht eingesetzte Beats sowie vor allem Alison Goldfrapps großartige Stimme zu einem Sound zusammen, der mit dem ersten Hören bereits für einen hohen Wiedererkennungswert sorgt. Die Band erfindet das Rad nicht neu, sondern bleibt sich und ihrem bekannten Stil treu. Die Stücke auf dem Album entwickeln durch ihre ruhige, aber dennoch durchdringende Dynamik eine ganz eigene sphärische Weite, die den Hörer im Laufe des Albums komplett für sich einnimmt. Der Gesang harmoniert perfekt mit den Arrangements der Songs, erweitert das Spektrum der Synthesizer und sorgt für facettenreiche Songstrukturen. Die Stimme Goldfrapps wird als eigenes Element genutzt.
Die Single-Auskopplung und das erste Stück auf dem Album „Anymore“ fasst die zuvor skizzierten Punkte wunderbar zusammen. Es ist ein charmanter Song mit Suchtpotential, dessen Beat und Rhythmus dem Hörer direkt ins Blut geht. „Zodiac Black“ erinnert vom Gesang und den ruhigen Trip-Hop-Elementen an die besten Stücke aus dieser Musikrichtung vom Ende der 90er Jahre. Es lädt zum Tagträumen, Wegschweben und einem Gedankenflug mit unbestimmten Ziel ein. Im Gegensatz dazu zitiert „Everything is Never Enough“ im besten Sinne den Mix, den Groove und die Arrangements des Disco-Pops der 80er Jahre und lädt zum direkten Gang auf die Tanzfläche ein, am Ende eines langen, exzessiven Partyabends.
SILVER EYE ist wie der Besuch bei alten Bekannten, die man ein wenig aus den Augen verloren hat. Nach kurzer Anlaufphase entwickelt sich die alte Vertrautheit, ähnlich ergeht es dem Hörer mit dem Album. Goldfrapp bleiben sich und ihren Stärken treu. Um neues, unbekanntes und aufregendes zu entdecken, wird die Musikwelt noch anderen Input bereithalten.
VÖ: 31. März 2017, Mute Records, www.goldfrapp.com/
Ohr d’Oeuvre: Anymore/ Zodiac Black/ Everything is Never Enough
Gesamteindruck: 6,5 /10
Tracklist: Anymore/ Systemagic/ Tigerman/ Become the one/ Faux Suede Drifter/ Zodiac Black/ Beast That Never Was/ Everything is Never Enough/ Moon in Your Mouth/ Ocean