Carpet – Secret Box
Ein Schelm, wer Schlimmes vermutet und meint die Nähe von Augsburg zu Weilheim, würde den Tüftelsound von Carpet in irgendeiner Form beeinflusst haben. Mit SECRET BOX legen sie ein vielschichtiges Album vor, was sich weder in eine Musikschublade noch eine Tageszeit wirklich einordnen lässt.
Auf dem dritten Album haben die Soundtüftler von Carpet um Maximilian Stephan ihre Imporvisationslust etwas gebändigt und ein wohltemperiertes, psychedelisches Dreampopalbum mit einer gewissen Jazznote vorgelegt. Klingt kompliziert, ist es aber nicht, sondern höchst unterhaltenswert! In der Vergangenheit wurde der Sound der Gruppe schon in die verkopfte Jazz Ecke gestellt, zu vertrackt, zu komplex, erschienen vielen ihrer Kompositionen. Auf SECRET BOX sind die Songs nicht weniger vertrackt, aber eher in einer Ecke, wo man auch The Shins oder Grizzly Bear verorten könnte. Langgezogene Songs, deren Popwurzeln durchschimmern, die aber zugleich den Hang zur Improvisation und den genreübergreifenden Horizont nicht verleugnen. Deutlich wird dies bereits im acht – minütigen Opener „Temper“ und offensichtlich im zweiten Song „Best of hard Times“. Mit seinem anfänglichen Percussionsarrangement würde man im folgenden mit einem Trip Hop – Song rechnen, stattdessen folgt Soundkaskade auf Sounkaskade, um dann in einem übertriebenen Gitarrensolo zu enden. So beihalten fast alle Songs von Carpet überraschende Wendungen und halten kleine Details bereit, für die sich eine Entdeckungsreise lohnt. Gegen Mitte der Platte ändert sich dann die Stimmung von SECRET BOX. Songs wie „One step minuet“ oder das wunderschöne „For Tilda“ mit einem markanten Saxophon, könnten auch in jeder Nachtbar zum Stammrepetoire in der Juke Box gehören. Der Jazzeinschlag nimmt deutlich zu und die Songs ziehen den Hörer hinunter in die Welt, wo man nie sicher sein kann, ob man wach oder noch am schlafen ist. Den einzigen Kritikpunkt, den man der Platte machen kann, ist vielleicht wirklich ihre Wohltemperiertheit. Auch wenn die Songs mal lauter werden, verströmen sie nie eine Aufgekratztheit, alles läuft relativ unaufgeregt durch. Vielleicht, wie man es von einer gut eingespielten Jazzcombo kennt. Selbst die wahnsinnigsten Sachen und Wendungen, rufen bei den Musikern ein müdes Lächeln hervor. Und das Carpet – im positiven Sinne – (musik)verrückt sind, unterstreichen sie mit SECRET BOX auf die beste Art und Weise.
VÖ: 5.Mai.2017, Elektrohasch, http://carpetband.com/
Gesamteindruck: 7,0/10
Ohr d´Ouevres: For Tilda/ Minuet/ Temper
Tracklist: Temper/ Best of Hard times/ Two reeds/ One step minuet/ Shouting Florence/ For Tilda/ Pale Limbs/Secret Box/
TV Haze – Scrap Museum
Die Aufmerksamkeit des Redakteurs auf die Melbourner Band wurde – zugegeben – erst durch ein Posting von Jörkk Mechenbier geweckt. In diesem zieht er Vergleiche zu Jugendhelden wie Dinosaur JR und Evan Dando. Dies war ein klarer Befehl, das zweite Album SCRAP MUSEUM der Band intensiver anzuhören und es unter die Lupe zu nehmen.
Den Vergleichen von Mechenbier hält das Album definitiv stand, aber die Songs des Album erlauben noch weitere Abstraktionen zu altbekannten Bands aus dem Sub Pop-Umfeld Anfang der 1990er Jahre. Nuancen von Sebadoh, Sonic Youth oder Mudhoney gelangen dem Hörer bei der Scheibe immer wieder in den Sinn. TV Haze haben Songs in einem wunderbaren Lo-Fi-Stil geschrieben und setzen diese mit der Minimalinstrumentierung Gitarre, Bass und Schlagzeug perfekt um. SCRAP MUSEUM umfasst neun kurze, prägnante und knackige Titel, die ins Ohr gehen und den Hörer unweigerliche an die zuvor angesprochene Zeit erinnern. Verzerrt und mit Effektgeräten entstehen Songwände durch die der Gesang von Dylan Thomas sich in den Gehörgang arbeitet und dort verweilt. Aufgrund der Effekte auf dem Gesang, sind die Vergleiche zu Joe Mascis mehr als nahe liegend.
Schon der Opener „Old Joyce“ definiert eindeutig den Lo-Fi – Sound, welchen TV Haze verfolgen. Die Akkustikgitarre spielt bei diesem Song perfekt mit dem Gesang zusammen. Diese beiden Elemente werden durch die Rhythmusfraktion getragen. Die wundervoll minimalistischen Akkorden von „Class rules“ lassen den Hörer einfach in ihrer wunderbaren Popmelodie verharren, die nicht mehr aus dem Kopf verschwindet. Bei „Dexter“ könnte Lou Barlow von Sebadoh wie auch Mark Arm und Steve Turner von Mudhoney beim Songwriting als Paten fungiert haben – schlicht und einfach Lo-Fi-Indie wie er sein sollte, ähnlich wie „Blink and it´s over“, der auch noch als Hörempfehlung zu nennen ist.
Abschließend ist zu sagen, dass TV Haze mit ihrem Zweitling trotz der vielen – auch hier erwähnten Zitate und Ableitungen – ein eigenständiges Album geschrieben haben, was Spaß macht und das einfach gut ist. Freunde der oben angeführten Bands sollten sich die Band definitiv einmal zu Gemüte führen. Die Zeit wird eine lohnende Investition sein. Es wäre wünschenswert, wenn TV Haze einer größeren Anzahl von Menschen bekannt wird. Zum heutigen Zeitpunkt ist die Band eine der positiven Zufallstreffer dieses Jahres.
VÖ: 07. April 2017, Poison City, https://www.tvhazebandcamp.com/
Ohr d’Oeuvre: Old Joyce/ Class Rules/ Dexter/ Dark Side of you
Gesamteindruck: 8,0 /10
Tracklist: Old Joyce/ Under the couch/ Class rules/ To Mars an back/ Dexter/ Blink and it´s over/ Landslide/ Dark Side of you/ Cold walk home