Someday – THIS DOESN’T EXIST
Die Post-Punk Platte des Monats kommt diesmal nicht aus heimischen Landen, sondern aus einem fernen Land jenseits der Alpen. Someday sterben auf THIS DOESN’T EXIST in Schönheit…aber wenigstens auf der Tanzfläche.
Wenn es um Indierock geht denkt man relativ selten bis gar nicht an Italien, was dazu führt das die Bands aus dem Sehnsuchtsland jenseits der Alpen immer etwas unter dem Radar verschwinden. Mit THIS DOESN’T EXIST legen Someday eine Platte vor, die im Bereich Post-Punk und Wave dieses Jahr mit die vorderen Plätzen belegen könnte. Die Band aus Turin knüpft an den tanzbaren Wave der 2005er Klasse in Erinnerung an The Cure oder Joy Divison an, um diesen geschickt mit eher experimentellen Ansätzen von Sonic Youth zu verknüpfen – also den melodischen Sonic Youth der späten Phase. Denn auf THIS DOESN’T EXIST regieren durchweg die Melodien bzw. verlieren die Turiner trotz, im Verlauf der Platte steigender experimeteller Songwritingansätze, nie den Wohlklang und die Tanzbarkeit aus dem Blick. Neben der charismatischen Nuschelstimme Miceles liegt dies vor allem an der Fähigkeit der Band eine durchgehende Melodiegitarre unter die Songs zu legen, die weder der Stimme den Raum noch den Songs die Dynamik nimmt. Lieder wie „Shelters“ oder die Single „Clean Couch“ überzeugen durch dominante Basslinien und teilweise schwelgerischen Piano- und Gitarrenthemen, als wäre Ian Curtis mit Talk Talk ins Studio gegangen. Auf den ersten 2/3 der Platte geht dieser Mix perfekt auf. Im letzten Drittel nimmt, wie gesagt, die Experimentierfreude zu und die Songs verlieren etwas von ihrer Leichtigkeit und Flüssigkeit. Sie entfalten eher auf den zweiten Blick ihre Stärke wie „Jokes“ oder „Picture“. Melancholisch und tanzbar, eine eingängige Stimme mit Texten, die sich um Verlust und Ortsbestimmung drehen und alles verbunden mit dieser gewissen Leichtigkeit – THIS DOESN’T EXIST ist ein Tipp für die Frühjahrsindiedisco , nach der es auch mal auf dem Rückweg regnen kann.
VÖ: 31. März 2017, Seahorse Records,
Ohr d’Oeuvre: Clean Couch / Shelters/ Picture
Gesamteindruck: 7,5/10
Tracklist: Clean Couch/ Forgotten/ Last Lesson/ Shelters/ Waitings/ Picture/ Maurizio (Littel Star)/Jokes/ Gliding
(pd)
Rolling Blackouts C.F. – French Press
Die Australier Rolling Blackouts C.F. legen in die sechs Songs ihrer zweiten EP FRENCH PRESS all das, was gute Indiesongs brauchen: Tempo und Temperament, durchdachte Arrangements, ungestüme Melodien und eine ganze Menge Melancholie. Sozusagen die richtige Sounduntermalung für die ersten, grauen Frühlingstage.
Die Band fuhr bereits für Ihre Debütplatte TALK TIGHT begeisterte Kritiken ein. Vor allem die durchdachten Arrangements wurden gelobt. Was fehlte war aber der richtige Schwung in den Songs, lag der Fokus zu sehr auf der Melodie. Begründet liegt dies in den Anfangstagen der Band. Diese lagen im Schlafzimmer von Sänger und Gitarrist Frank Keaney, der dort bis tief in die Nacht jammte und den Grundstein für alles weitere legte. Nach ersten Erfolgen baute er mit seinem Cousin und seinen Brüdern, eine Band um die Songs auf. Übrig geblieben sind von diesen Anfangstagen die Intimität der Texte, die verspielte Melodiösität der Songs und die Liebe zu Arrangements, die auf den ersten Blick ziemlich simpel, in ihrem Funktionieren teilweise aber sensationell sind. Nahezu jeder Song wird durch eine prägnante Gitarrenmelodie oder mehrstimmige Hooks getrieben, die sich sofort im Kopf verheddern, wie meisterhaft umgesetzt im Abschlusssong „A Fountain of good fortune“, der ein wenig an die Smiths erinnert. Auf FRENCH PRESS ist die Band einen Schritt weiter gegangen im Songwriting als nur auf eine prägnante Melodie zu achten. Nach eigener Aussage hat man, bedingt durch die erhöhte Livepräsenz in den letzten Jahren in Australien und den USA gelernt, dass Songs nicht nur in Schönheit sterben dürfen, sondern einen gewissen Wums brauchen. In „French Press“ oder „Sick Bug“ gelingt der Band denn auch die fast perfekte Kreuzung aus beidem. Kurzweilige Gitarrenindiesongs, zu denen man mitwippt und die Gegenwart für Momente beiseite lässt. Mit FRENCH PRESS erfinden die Rolling Blackout C.F. nichts neu, geben aber eine gewichtige Visitenkarte ab und seien allen Freunde der verspielten Melodien empfohlen, die gerne mal zu Yuck oder Vampire Weekend den Kopf schütteln, um danach wieder andächtig in das Rotweinglass zu schauen.
VÖ: 10. März 2017, Sup Pop,
Ohr d’Oeuvre: French Press / Dig Up/ Fountain of a good fortune
Gesamteindruck: 7,5/10
Tracklist: French Press / Julie’s place/ Sick Bug/ Colours Run/ Dig Up/ Fountain of a good fortune
(pd)