Keele – Gut und Dir
„Du trinkst die bittere Erfahrung, denn davon hat man nie genug…“. Mit GUT UND DIR legen Keele ein starkes und vor allem eigenständiges Album, irgendwo zwischen Punk und Indie hin.
Die Hamburger Band Keele ist das neue Juwel im Rookie Records Pferdestall. Mit Love A läuft schon ein Zugpferd der deutschen Punkmusik für das Label und mit Illegale Farben ist ein weiterer hoffnungsvoller Act für die Rookies unterwegs. Mit beiden haben Keele wenig gemeinsam, bis auf diesen Punkhintergrund, bei dem man sich allerdings immer wieder fragt, ob das überhaupt noch Punk ist, zu viel Melodien und Texte, die mindestens ein bis zwei Deutungsebenen zulassen. Keine slimelastigen Refrains und dosenbierseeliges Aussenseitertum, sondern eher ein reflektiertes Beobachten der Veränderungen, bei sich und im eigenen Freundeskreis. Immer dieses Schrauben an der glatten Oberfläche. Mit ihrem straighten Indie Punk, stehen Keele Bands wie Hey Ruin, Koeter oder Matula näher als Captain Planet, deren noisige Elemente der Platte fast komplett abgehen, oder Turbostaat (mal abgeshen von „Über Grenzen“). Postpunk oder Wave Elemente wie bei Love A sucht man ebenfalls vergebens, einfach zum Punkt kommen, manchmal mit Verschleppung des Tempos, aber mit treibendem Bass und Schlagzeug. Musik, die sofort abholt und mitnimmt.
Textlich pendeln die Geschichten zwischen Freundeskreis, Abschiednehmen alter Freunde („Terminal“), dem Zusammenbrechen der eigenen Lebensräume („Uwe Hochmut“) oder der eigenen Mutlosigkeit, seine Träume anzugehen („Handfaust“). Keele haben dabei das richtige Händchen für Hooklines und Verse, die direkt hängen bleiben und dokumentieren, dass da neben Herzblut viele Gedanken in den Songs stecken („Ich will bleiben“). Nicht umsonst spuckt die Spotifyliste Spaceman Spiff direkt nach Ende von GUT UND DIR als Anspieltipp aus. Mit dem Wahlhamburger teilen sie diese Feinfühligkeit und Empathie für die Veränderungen im Poststudentenalter, sympathische Geschichten vom Scheitern und wieder Aufstehen, mit denen man sich schnell identifizieren kann. Keele sind ein noch junges Pferd, mit dem Herzen am rechten Fleck, aber dem Gespür für die eigene Sprungkraft.
VÖ: 28. April 2017, Rookie Records, http://www.keele.de/
Ohr d’Oeuvre: Ich will bleiben/ Sauerstoff wird knapp/ Uwe Hochmut
Gesamteindruck: 7,5/10
Tracklist: Sauerstoff wird knapp/ Terminal/ Uwe Hochmut/Gut und Dir/ Geister/Siebenundzwanzig/ Sektempfang/Handfaust/ Ich will bleiben/ Über Grenzen/ Grauwal
(pd)
Thurston Moore – Rock N Roll Consciousness
Eine der beruhigenden Folgen des Splits von Sonic Youth und der Trennung des Ehepaares Gordon-Moore ist, dass alle Personen der Band weiterhin musikalisch aktiv sind und neue Songs veröffentlichen. Während Gordon eher kantige, experimentelle Stücke schreibt und Ranaldo die Singer-Songwriterschiene sehr individuell interpretiert, überzeugt Shelley in verschiedenen Projekten durch sein Schlagzeugspiel. So auch auf ROCK N ROLL CONSCIOUSNESS von Moore.
Nachdem Moore bei seinem musikalischen Neustart noch die unterschiedlichsten Einflüsse kanalisiert, liefert er bei den ersten Live-Auftritten bereits eine großartige Performance ab. Dabei bezieht er sich einerseits auf bekanntes, um andererseits noch seinen eigenen Stil zu suchen. Die 2014er Platte THE BEST DAY ließ aber schon klar erkennen, in welche musikalische Richtung der Weg geht.
Auf ROCK N ROLL CONSCIOUSNESS verfolgt Thurston Moore diesen Weg in einer nicht zu erwartenden Konsequenz weiter und legt eine Platte vor, die keinen Vergleich mit den Hochkarätern GOO, DAYDREAM NATION und DIRTY scheuen muss. Die Stücke enthalten klares Songwriting mit den besten, aus Sonic Youth Zeiten bekannten Zutaten. Die wunderbar arrangierten Songs variieren zwischen epischen Weiten und kurzen, knackigen Stücken. Daneben sind die Musiker exzellent aufeinander eingespielt und entwickeln auf der Platte eine Dynamik, die sonst nur bei Live-Auftritten zu finden ist. Immer wieder werden Melodien durch Effekte und Verzerrungen zu Klangwänden aufgebaut und kompromisslos zur Ausgangssongstruktur zurück eingerissen.
Aus dem Album einen Song hervorzuheben, würde den anderen nicht gerecht werden. Die fünf Stücke bilden ein homogenes Werk und bei jedem Anhören entdeckt man etwas Neues. Auch das ist eine Qualität des Albums – es scheint nie langweilig zu werden. Mit ROCK N ROLL CONSCIOUSNESS ist der Auftritt Thurston Moores während der anstehenden Tour ein verpflichtender Termin, bei dem Eines sicher scheint: Der Abend wird ganz bestimmt nicht langweilig.
VÖ:28.04.2017, Ecstatic Peace, https://www.thurstonmoore.com/
Ohr d’Oeuvre: Exalted/ Cusp/ Turn On/ Smoke of Dreams/ Aphrodite
Gesamteindruck: 8,5/10
Tracklist: Exalted/ Cusp/ Turn On/ Smoke of Dreams/ Aphrodite
(kof)