Roddy Woomble – Deluder
Mit DELUDER schlägt Idlewild Sänger Roddy Woomble neue Pfade ein, um am Ende die Welt doch wieder durch die melancholische Brille des leicht weltabgewandten Inselbewohners zu betrachten.
Wer das Glück hatte letztes Jahr Idlewild auf der Bühne zu sehen, konnte eine Band bewundern, die trotz eines durchschnittlichen letzten Albums, Spaß hatte ihre Hits zu spielen ohne dabei vollkommen über die Stränge zu schlagen. Ähnlich stellt man sich irgendwie das Leben von Sänger Roddy Woomble vor. Wahrscheinlich lebt er irgendwo abgeschieden in den Highlands oder auf einer Insel vor der Küste, um manchmal die Fähre zu besteigen und dann im tiefstem, schottischen Dialekt Gedichte und Lieder zur Geige und Folkgitarre in irgendeinem Pub vorzutragen. Dementsprechend überrascht DELUDER. So sucht man den klassischen, britischen Folksound, der die letzten Idlewild Veröffentlichungen und erst recht seine Soloalben durchzog, meist vergeblich. Die Songs sind dunkel, reduziert und meist in irgendeiner Form gebrochen. Das entfaltet, wie in „To feel like a Fool“, was vornehmlich aus Bass- und Gesangmelodie besteht, eine angenehm entspannte Stimmung. Doch leider mündet diese Entspanntheit in vielen Fällen in einer gewissen Indifferenz. Ähnlich wie auf der letzten Idlewildplatte wirken die Songs teilweise solide, aber auch nicht bis zuletzt ausgereizt. Schönes Beispiel ist die Auskoppelung „Jupiter“, in welcher Woomble mit ungewöhnlichen Gesangsrhythmen und –melodien experimentiert, aber der Song durch seine recht eintönige Struktur keine wirklich Faszination entwickeln will. Gut ist DELUDER, wenn sich Womble auf seinen Stärken besinnt und die reduzierte Strukturen, meist in Form von eingesprengselten Pianofiguren, mit eingängigen Folkmelodien verbindet. So entwickeln „A skull with a teardrop“ oder die andere Vorabauskoppelung „Like Caruso“ eine erdrückende Melancholie und Schönheit, welche tonnenschwer die Lücken ausfüllt, die durch reduzierte Instrumentierung geschaffen werden. Dagegen nimmt DELUDER in „I‘ll meet you at the memorial“ und dem mit Hanna Fisher – Geigerin auf den letzten Idlewild Touren – französisch-englisch gesungenen Duett „On N’a Plus De Temps“ richtig Schwung auf. Allerdings sind dies die wenigen Ausnahmen, wobei die Melodien der beiden Stücke an Idlewild Großzeiten anknüpfen. Insgesamt eine Platte, die für Roddy Woomble – und Idlewild Fans gerade im ersten Drittel gewöhnungsbedürftig ist, aber trotzdem über kurz und lang den Weg über den Bauch in Herz und Kopf finden sollte. Zu hoffen bleibt, dass Womble bald wieder die Fähre besteigt, um dem Festland einen Besuch abzustatten.
VÖ: 01.September 2017, A modern way, https://www.roddywoomble.net/
Ohr d’Oeuvre: A skull with a teardrop/ Like Caruso/ Floating on a river
Gesamteindruck: 6,5/10
Tracklist: Look Back Like Leaving/ To Feel Like A Fool/ Jupiter/ A Skull With A Teardrop/ Like Caruso/ First Love Is Never Returned/ Remember To Breathe/ I’ll Meet You By The Memorial/ On N’a Plus De Temps/ Any Old Kind Of World Will Do/ Floating On A River
(pd)
The War On Drugs – A Deeper Understanding
Nachdem die Band 2014 das Album LOST IN A DREAM veröffentlichte, ausgiebig tourte und ein immer größeres Publikum von sich überzeugen konnte, verschwanden sie wegen eines längerfristigen Ausfalls des Frontmanns Adam Granduciel für eine Weile von der Bildfläche. Ist es nun überraschend, dass einige Konzerte der im Herbst anstehenden Tour schon weit vor der Veröffentlichung des Albums restlos ausverkauft waren? Wohl nicht, denn vor allem bei Live-Auftritten überzeugten The War on Drugs in der Vergangenheit zweifellos.
A DEEPER UNDERSTANDING reiht sich nahtlos in die bisherigen drei Alben der Band ein. Mit 60 Minuten Spieldauer, ist es recht lang, aber nie langatmig mit geschickten Arrangements und einem selten gehörten Facettenreichtum nehmen die pathetisch-epischen Indiepopperlenden den Hörer schnell mit. Es ist ein schmaler Grat auf dem The War On Drugs die Platte halten und es ist sehr faszinierend, dass alle 10 Songs, trotz ihrer Komplexität nirgendwo verloren gehen, sondern gerade deshalb in sich geschlossen und bis zum Ende durchdacht wirken. Die Tracks bieten genug Anknüpfungspunkte an das klassische „American Songbook“ und lassen Vergleiche zu Bruce Springsteen, Neil Young oder Tom Petty, wie auch dem typischen Americana Sound zu.
Granduciel verfolgt auf A DEEPER UNDERSTANDING den Weg weiter, den er schon auf dem Vorgängeralbum LOST IN A DREAM begonnen hat. Diese Grundzüge, so komplex und pathetisch, wie sie schon in „An Ocean between the Waves“ zu finden waren, weisen auch ein Großteil der Stücke auf dem aktuellen Longplayer auf. „Nothing to find“ ist so einer, hat er doch diese hymnenhafte Eingängigkeit, die dann von einem rockigen Gitarrenriff davon getragen wird. Weitere Higlights des Albums sind definitiv „Holding on“ oder auch „Strangest Thing“.
The War on Drugs liefern mit ihrer vierten Platte mehr als ordentlich ab und halten die Erwartung hoch. Diejenigen, die schon Tickets für die Herbsttour haben, dürfen sich entspannt zurücklehnen und schon mal vor freuen. Alle anderen sollten mit dem Kauf einer Karte nicht mehr all zulange warten.
VÖ: 25.08.2017, Atlantic-Records, http://thewarondrugs.net/
Ohr d’Oeuvre: Holding on/ Strangest Thing/ Nothing to find
Gesamteindruck: 8,0/10
Tracklist: Up all nights/ Pain/ Holding On/ Strangest Thing/ Knocked Down/ Nothing to Find/ Thinking of a Place/ In Chains/ Clean Living/ You Don´t Have to Go