Brand New – Science Fiction
Aus dem sprichwörtlichen Nichts kam auf diversen Kanälen die Ankündigung, dass die vier Long Islander ihre fünfte Veröffentlichung planen. Dann ging plötzlich alles ganz schnell. Die Pre-release Website wurde geschaltet und zwei Tage später bekamen alle Vorbesteller ein Packet mit dubiosen Soundschnipseln zugestellt. Am gleichen Tag schon konnte man SCIENCE FICTION als digitalen Download über die Webseite des Labels erstehen. Nichtmal Radiohead sind so geheimniskrämerisch und dabei dann doch so schnell.
Also in die Tasche gegriffen, auf ein paar Bier am Abend verzichtet und da war er, der digitale Download von Brand News neuester Veröffentlichung SCIENCE FICTION. In einschlägigen Foren wurde und wird bis heute hart diskutiert, ob es sich nun wirklich um das fünfte Album der Band handelt oder ob es wieder nur die „Abfälle“ der Aufnahmen aus 2014 sind. Egal wie es sich am Ende verhält – den physischen Release wird es erst im Oktober geben – Aufmerksamkeit haben die Vier mit ihrer Strategie allemal erzielt.
Musikalisch ist SCIENCE FICTION deutlich differenzierter, noch düsterer dabei aber auch stellenweise straighter und rockiger als der 2009er Vorgänger DAISY. Der Opener „Lit me up“ beginnt mit einem Voice Sample über die zufällige Entdeckung einer Traumbeschreibung nach 400 Stunden individueller Psychotherapie. Wen das noch nicht auf den Boden bringt, bei dem entzündet der folgende Song ganz langsam ein melancholisch loderndes Feuer mit einem lazy Basslauf, wie ihn nur das uneheliche Kind von Simon Gallup und Flea dahinlegen könnte. „Can´t Get It Out“ ist ein typischer Brand New Song, getragen vom fast stoischen Schlagzeug- und Bassspiel, durchbrochen von bandtypischen Gitarrenriffs, die Jesse Lacys Gesang begleiten. Mit „Waste“ kommt ein weiteres Mal eine dunkel-düstere Beschreibung eines mies, laufenden Beziehungsgeflechtes daher, mit diesmal singend, sägend, trennenden Riffs und ja, hier und da fast poppigen Einschlägen, die den Song am Ende mal nicht hoffnungslos werden lassen. „Could Never Be Heaven“ erinnert dann eher an Simon and Garfunkel denn an Brand New. „Same Logic / Teeth“ offenbart schliesslich ganz und gar, wie flexibel, wandlungsfähig und unglaublich kreativ diese Band ist. Mit relativ wenig Mitteln zaubern Brand New mit diesem Track ein Monument auf die Platte und wühlen sich mal eben durch die diversen Stilrichtung der letzten 20 Jahre hin zu ihrem ganz eigenen (neuen) Sound. Der Rest der Platte löst dieses Monument mit jedem Song und im positiven Sinn wieder in seine Bestandteile auf. Auf SCIENCE FICTION beweisen die vier US-Amerikaner eindrucksvoll, zu was sie fähig sind und man kann nur hoffen, dass Auflösungsgerüchte das bleiben, was sie sind: Gerüchte. Schon jetzt darf man Brand New ohne zu zögern und wie schon eingangs getan in einem Atemzug mit Bands wie (Achtung!) Radiohead nennen.
VÖ: 15. August 2017, Procrastinate! Music Traitors, http://www.fightoffyourdemons.com/
Ohr d’Oeuvre: Same Logic/Teeth/ Can’t Get It Out/ Waste
Gesamteindruck: 8,5/10
Tracklist: Lit Me Up/ Can’t Get It Out/ Waste/ Could Never Be Heaven/ Same Logic/Teeth/ 137/ Out of Mana/ In the Water/ Desert/ No Control/ 451/ Batter Up
(gb)
We Invented Paris – Catastrophe
Nach zwei-jähriger Pause meldet sich das Künstlerkollektiv We Invented Paris um den Basler Singer/Songwriter Flavian Graber mit einem neuen Album zurück. CATASTROPHE ist eine kleine musikalische Zeitreise durch die 80er und 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.
Seit jeher sind die Paris-Erfinder für ihre kreativen Projekte und Aktionen bekannt. Ob eine Couch-Surfing Tour oder Speedgigs, bei denen sie 30 Konzerte an einem einzigen Tag spielten. Die ehemalige US-Alternative Band Paramore konnte dieses Jahr noch mit einer krachenden Rückkehr ebenfalls ganz im Eighties Stil für große Schockierung sorgen. Bei We Invented Paris wird dieser Überraschungseffekt jedoch durch die bereits vertraute Experimentierfreude der Künstler vorweggenommen und so kommt CATASTROPHE dann doch eher ohne die ganz große Aufregung daher.
Das neue Projekt CATASTROPHE widmet sich ganz der Erkundung der Popmusik der 80er Jahre und der Boyband-Ära der 90er. So klingt die Popballade „Kaleidoscope“ doch sehr nach Popschnulze à la Backstreet Boys. Anstelle der noch auf ROCKET SPACESHIP THING im Mittelpunkt stehenden Akustikgitarre, sind das Umhänge-Keyboard und Synthesizer Spielereien die großen Stars auf CATASTROPHE. Schade eigentlich. Statt schöner Melodien und Rhythmen ist es jetzt Graber’s Stimme, die die Songs hauptsächlich trägt. Und tragen kann, muss man dazu sagen. Vor allem Songs wie „Fuss“, „Storm“ oder „High Tide“ leben von seinem Gesang. Dieser schafft es, zumindest etwas Tiefe in die doch eher flachen Melodien zu bringen.
Wenn man den Bandnamen We Invented Paris ernst nimmt und daraus das Ziel ableitet, sich stetig neu zu erfinden, ist ihnen dies mit CATASTROPHE auf jeden Fall gelungen. Allerdings würde eine Analogie zu dem abgeschiedenen Künstlerdorf Worpswede vielleicht passender sein als Paris. So spannend wie die Kunstmetropole ist CATASTROPHE nämlich leider nicht.
VÖ: 25. August 2017, Spectacular Spectacular, http://weinventedparis.com
Ohr d’Oeuvre: Fuss/ Air Raid Shelter
Gesamteindruck: 6,0/10
Tracklist: Looking Back/ Fuss/ Kaleidoscope/ High Tide/ Air raid shelter/ Storm/ Superlove/ Spiderman/ Catastrophe/ Touriste/ A lake in the morning/ When did I stop/ Arsonist
(rl)