Nothing More – The Stories We Tell Ourselves
Vier Alben haben Nothing More in DIY-Produktion herausgebracht, bevor sie 2014 einen Vertrag bei dem Majorlabel Seven Eleven Music an Land ziehen konnten und mit ihrem selbstbetitelten fünften Album NOTHING MORE in die Billboard Charts einziehen konnten. Mit ihrem neu erschienenen Album THE STORIES WE TELL OURSELVES könnten sie ihre Erfolgsgeschichte definitiv noch weiter schreiben.
Keine Frage: Die Komposition der einzelnen Songs und des ganzen Albums ist absolut rund, stimmig und zeugt wie schon beim Vorgänger vom großartigen Songwriting-Talent der Band!
Das Album wird durch kurze Interludes thematisch und motivisch gegliedert. Das Intro „Ambition/Destruction“ ist gerade mal 18 Sekunden lang, aber hat es schon voll in sich. Wie ein Crescendo steigert sich ein Gemisch aus Drums, Gitarre und Gesang – und bricht dann plötzlich ab. Kurze Pause. Dann legt der rhythmische Beat von „Do you really want it“ los. „Convict/Divide“ leitet in den sehr wütenden und lauten Teil des Albums ein. Das ist der politische Teil der Platte. So heißt es zum Beispiel in „Let’em Burn“: „Fear the left, fear the right / Money is power and power decides“ . Nach den vier sehr Hard Rock-/ und Progressive Rock geprägten Songs wird der nächste thematische Abschnitt des Albums durch „React/Respond“ eingeleitet, ein musikalisch unterlegter Ausschnitt einer Rede von Alan Watts über Angst und das Besiegen von Angst. „Alone/Together“ heißt der nächste Übergang und spiegelt auch instrumental durch die Gleichzeitigkeit von melodischen und verzerrten Klängen den motivischen Gegensatz, der sich durch diesen Teil der Platte zieht, wieder. Vor allem „Go to War“ ist instrumental und textlich genial komponiert! Mit „Just say when“ folgt ein Akustikstück, wodurch die musikalische Vielfältigkeit der Platte nochmal hervorgehoben wird. „Accept/Disconnect“ leitet zwei eher düstere, aber gleichzeitig hoffnungsvolle Stück ein. „End/Begin“ geht instrumental fließend von tunnels zum letzten Track des Albums, dem Akustikstück „Fade in/Fade out“ über. Auch hier entsteht wieder der Eindruck, dass das Album in sich ein geschlossenes Ganzes bildet. „Fade In/ Fade Out“ erzählt vom Kreislauf des Lebens, vom geboren werden und sterben, vom immer weiter seinen Weg gehen und der ständigen Kontinuität von allem: „with every new wave another must go“. Am besten sollte man den Song auch direkt als Aufforderung sehen, auf den Repeat-Button zu drücken und das Ganze nochmal von vorne hören. Das wäre auf jeden Fall meine Empfehlung.
Meiner Meinung nach eins der besten Alben des Jahres. Und das liegt vor allem daran, dass es nicht einfach ein paar geile Singles sind zwischen die ein bisschen Füllmaterial gestopft wurde, um ein Album hinzukriegen. Vielmehr wirkt alles extrem durchdacht und vorsichtig arrangiert. Hier sollte man die Shuffle Funktion auf alle Fälle ausgeschaltet lassen, weil die Band sich offensichtlich tatsächlich mal Gedanken über die Reihenfolge der Songs gemacht hat. Eine Geschichte vom Leben eben.
VÖ: 15. September 2017, Eleven Seven Music, http://nothingmore.net
Ohr d’Oeuvre: The Great Divorce / Go to War / Fade In/Fade Out
Gesamteindruck: 9,5/10
Tracklist: Ambition/Destruction / Do you really want it / Convict/Divide / Let’em burn / Ripping me apart / Don’t Stop / Funny little Creatures / React/Respond / The great Divorce / Still in Love / Alone/Together / Go to War / Just say when / Accept/Disconnect / Who we are / Tunnels / End/Begin / Fade In/Fade Out
(rl)
Birk – #keinalbum
Gut, der erste Scherz von Birk die EP #KEINALBUM zu nennen ist dann doch eher was für Süßwassermatrosen oder Pragmatiker. Aber Titel sind nur Schall und vor allem Rauch. Viel wichtiger ist der kraftvolle und schmachtende Indiepopmix, den die Band auf den sechs Songs abfeuert.
Führte man eine repräsentative Umfrage unter Menschen zwischen – sagen wir mal 20 und 40 durch – würde wahrscheinlich ein großer Teil sagen, dass zu einem erfüllten Leben ein geschwungenes Tanzbein, durchfeierte Nächte, Tonnen Kaffee und ein leicht melancholisch-verkaterter Blick am Morgen gehören. Alles leicht ausgehöhlt durch die ständigen Fragen, nach dem Sinn und dem Wohin. Einen Soundtrack zu eben diesem Lebensgefühl legt Birk mit #KEINALBUM vor. Und dies macht der Fünfer aus Köln und Mönchengladbach handwerklich gut mit viel Dynamik und trockener Poesie, dicht angelehnt an Kraftklub. So wirken „Mission“ und „Kerosin“ wie Blaupausen der Chemnitzer. Allerdings ist dies eigentlich relativ egal. Mit Hilfe eines warmen Sprechgesangs, der trotz des hohen Tempos nie die Ruhe zu verlieren scheint, einer treibenden Rythmussektion und bohrenden Leadgitarren treiben die Rheinländer die nüchtern, melancholischen Coming of age – Geschichten zwischen Tanzfläche und Vorortdepression vor sich her in das Ohr des Hörers. Ein wenig ruhiger wird es dann im melancholisch, ruhigen Rausschmeißer „Sonnenbrille“, der ein an die ruhigeren Caspar Sachen erinnert.
Dabei besticht die Band durch eine Offenheit ohne Selbstmitleid und einen relativ klaren Blick, ohne gezwungene Ironie auf die Zerrissenheit einer Lebensphase zwischen „Burn out und Borderline“ wie es in dem wunderbar, fordernden „Zimmer mit Balkon“ heißt, was aber insgesamt, beruhigend authentisch wirkt. So finden Birk die richtige Nische zwischen der Tanzbarkeit von Kraftklub und der Bestimmtheit von Heisskalt. Ruhig mal in die EP auf Bandcamp reinhören oder besser noch runterladen.
VÖ: 01.September 2017, Eigenvertrieb, http://birkband.de/
Ohr d’Oeuvre: Zimmer mit Balkon/ Kerosin
Gesamteindruck: 7,0/10
Tracklist: Mission/ Kerosin/ Bleichschwarz/ Konfetti/ Zimmer mit Balkon/ Sonnenbrille/
(pd)