Allein dafür, dass die Week-End Fest Macher die Stadthalle Köln Mühlheim, unter anderem regelmäßiger Treffpunkt der „Armee der Ungefickten™ (geschützter Titel der Besucher der dort regelmäßig stattfindenden Filmbörse)“, aus ihrem langen Populärmusik-Schlaf wachküssten, ist Ihnen der ewige Dank von Kölns Konzertgängern sicher. Man kann mit Sicherheit sagen, dass es in Köln für Konzerte mit Besucherzahl um die 1000, keine attraktivere Location gibt, als den rundumverglasten und holzvertäfelten sechziger Jahre Flachdachbau auf der Schäl Sick. In der durch das Attentat auf Lafontaine bundesweit bekannt gewordenen Halle, spielten in den frühen Achtzigern sogar schon „The Cure“. Auch mit der 7. Auflage des Week-End Fests haben wieder sehr viele große Künstler den Weg nach Köln Mühlheim gefunden.
Den Auftakt am Freitagabend bestreitet die argentinische Sängerin Juana Molina, deren ätherische, luftige Folktronica, trotz massiver technischer Probleme durchaus zu begeistern weiß.
Die anschließende Aufführung einer Cyberspace-Komödie, durch Holly Herndon und ihre Getreuen, polarisierte das Publikum ein wenig, so wie das meistens bei postmoderner Elektroavantgarde ist, kann aber mit Social Media Kritik und smarter Ironie punkten.
Der erste Höhepunkt des Festivals ist jedoch unbestritten der Auftritt des japanischen Musikgenies Shintaro Sakamoto. Das im ersten Eindruck simple Spiel der Dreierbesetzung aus Bass, Leadgitarre und Schlagzeug entwickelt nach einer kurzen Zeit, auch durch die subtilen aber effektiven Dub-Effekte des Schlagzeugers, eine ungeahnte, hypnotische Wirkung. Ein filmender Devendra Banhart, der den Freitag nach dem darauf folgenden Konzert von Laurel Halo, mit einem DJ-Set beendet, wird ebenfalls, wie eigens aus Japan angereiste Fans, Zeuge der raren Darbietung.
Das Musikmenü des Samstags stellt sich als leichter goutierbar heraus. Nach dem Akustik-Konzert der New Yorker Songwriterin Julie Byrne kann der französische Komponist Pascal Comelade, mit Hilfe eines nicht nur in der Personenzahl beeindruckenden Ensembles, die heute zahlreicher als am Vorabend erschienenen Besucher, deutlich hörbar verzücken. Dafür dass seine wunderschönen, manchmal melancholischen, musikalischen Kapriolen nie in die Yann-Tiersen-Amélie-Kitsch-Falle tappen, sorgt der Maestro persönlich, mit Hilfe von Gießkannen als Blasinstrument und vor allem mit Rückkopplungen, erzeugt durch verschiedene elektronisch verstärkte Saiteninstrumente, unter anderem einer Ukulele.
Dann ist es endlich soweit: es folgt der langerwartete Auftritt Devendra Banharts, erweitert durch Jherek Bischoff und das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld um Albrecht Schrader.
In edle Abendgarderobe gekleidet sind nicht nur die Musiker auf der Bühne, sondern auch die sonst eher simpel gestalteten Songs des inzwischen etwas enthypten, ehemaligen XL-Recordings Vertragspartners. Ob die aufwendigen Neu-Arrangements dem eher skizzenhaften aber sehr effektiven Songwriting Banharts etwas Interessantes oder sogar Substanzielles hinzufügen können, wie dies bei den sehr gelungenen vergangenen Versuchen, wie z.B. Robert Forster oder Divine Comedy, gelang, ist zu bezweifeln. Der größte Teil des Publikums, der bescheidene und sehr sympathische Banhart und alle anderen Musiker auf der Bühne haben auf jeden Fall ihren Spaß.
Den undankbaren Job, nach dem theoretischen Höhepunkt des Festivals aufzutreten, übernimmt die brasilianische Band O Terno. Veranstalter Jan Lankisch lässt es sich nicht nehmen den Auftritt persönlich anzukündigen. Was dann folgt ist definitiv ein Anwärter auf den Titel „großartigstes Konzert von 2017“. Verstärkt durch Bläser aus der Böhmermann-Kapelle, verzaubert das Trio aus São Paulo, das inzwischen deutlich kleiner gewordene Publikum, mit klassischem, leicht psychedelisch eingefärbtem Rock, in der Tradition von den Beatles und den Kinks. Wenn man sich in diesem Jahr nur noch eine Platte kaufen will, sollte man den Erwerb von O Ternos Album „Melhor do Que Parece“ ernsthaft in Betracht ziehen.
Wenn man im nächsten Jahr nur ein Festival besuchen möchte, ist der Besuch des Week-End Fests #8 eh klar.