Sommer, Sonne, Kunst, Musik und ein bisschen Woodstock – Das Dockvillefestival in Hamburg ist eines der charmantesten Festivals in Deutschland.
Auf der Elbinsel Willhelmsburg direkt am Wasser befindet sich das Gelände des Dockville Festivals in Hamburg. Eine tolle Location für die folgenden drei Tage, mit viel Grün, Sandhügeln und Speichern, Windrädern sowie Industriebauten im Hintergrund. Alles geht hier sehr entspannt zu und man kann gar nicht anders, als sich bei der familiären Atmosphäre sofort wohl zu fühlen. In diesem Jahr werden die Zuschauer zudem noch mit tollem Sommer-Wetter und Temperaturen um die 30°C verwöhnt
Dass das Dockville nicht wie jedes andere beliebige Festival ist, sieht man spätestens wenn man sich zwischen den Auftritten die Zeit nimmt über das Gelände zu wandern, denn hier gibt es noch so einiges zu entdecken. Das Festival, das vor drei Jahren als kleines lokales Musikfestival vor 5.000 Zuschauern begann, hat sich auf die Fahne geschrieben Kunst und Musik zu verbinden und das klappt ganz wunderbar. Auf dem Festivalgelände verteilt, finden sich verschiedenste Installationen von vielen teilweise internationalen Künstlern. Es gibt diverse Holzhütten, Zelte, ein Kissenkino und andere tolle Dinge – wie die „Bum Tschak Wippe“ die Schlagzeug- und Beckengeräusche erzeugt – die eine Überraschung parat halten. Ein Abenteuer-Spielplatz für jedermann, auf dem man einfach Spaß haben muss. Neben Kunst und Musik gibt es dieses Jahr auch eine Portion Literatur, denn auf der Lesebühne finden ab Samstagabend auch Poetry-Slams statt.
Wenn man sich umsieht auf dem Gelände, so fällt auf, dass hier nicht nur junge Musikfans sind sondern auch ältere Menschen mit ihren Kindern herumwuseln. Das Dockville ist eben auch eine Veranstaltung für die ganze Familie. In dem so genannten Lüttville konnten Kinder und Jugendliche im Vorfeld die verschiedensten Workshops besuchen in denen Kunst entsteht, die ebenfalls an den Festivaltagen zu sehen ist. Die beteiligten Kinder können dann mit ihren Eltern kostenlos das Festival besuchen.
Outfittechnisch fühlt man sich an diesem Wochenende 40 Jahre zurückversetzt. Denn genau da fand das legendäre Woodstockfestival statt und viele der Festivalbesucher in Hamburg hätten dort ohne Probleme reingepasst. Ob Blumen oder Bändchen im Haar, der Hippietrend scheint wieder auferstanden zu sein.
Musikalisch präsentiert werden hier neben Bands aus der Region, ausgesuchte Indie- und Elekrobands. Headliner sind in diesem Jahr die New Yorker MGMT, die hier ihr einziges Deutschlandkonzert 2009 abliefern. Zum ersten Mal richtig ins Schwitzen kommt man an diesem Freitag beim Auftritt der zwei Belgier von The Black Box Revelation. Das Duo kann mit ihrem Bluesrock, einer energetischen Liveshow und waschechten Hits wie „Set Your Head On Fire“ ohne Mühe überzeugen. Wer hier noch stillsteht ist selber Schuld. Angesichts ihres jungen Alters haben sie sicher das Potenzial bald ganz weit oben zu stehen.
Das Highlight dieses Freitagabends folgt um 19.20h, als der Brite Patrick Wolf die Bühne betritt und trotz einigen Gepäckproblemen und Leihgitarre eine wunderbare tolle und unterhaltsame Show liefert. Stillstehen ist nicht sein Ding und so nutzt er die Bühne voll aus, tanzt, hüpft und springt, posiert für die Kameras bevor er dann plötzlich im Bühnengraben verschwindet, um mit seinen Fans auf Tuchfühlung zu gehen. Gut gelaunt erzählt er von den Vorteilen seines eigenen Plattenlabels, den Nachteilen wenn man in einer Beziehung ist und entschuldigt sich kein Wort deutsch zu können. Dass Patrick eine der schillerndsten Künstler auf dem Festival ist, zeigt sich nicht zuletzt an seinem extravagantes Outfit mit Federboa, einem Cape und Overall, das er nach und nach ablegt, um am Ende nur noch mit knappen Hotpants und Fetzenshirt bekleidet auf der Bühne zu stehen. Neben Liedern aus seinem aktuellen Album „The Bachelor“ gibt es seine Klassiker wie wie „Tristan“, „Accident& Emergency“ sowie „The Magic Postition“.
Sehr berührend ist vor allem die Liveversion von „Damaris“ bei der das Multitalent selbst zur Geige greift. Schnell wird klar, dieser Auftritt ist heute nicht mehr zu toppen.
These New Puritans bringen auf der Dorfbühne zwar die Menge mit ihren elektronischen Klängen zum mitwippen, aber leichte Kost ist das nicht was sie da spielen. Sehr experimentelle Klangcollagen präsentieren uns die Engländer, bei denen ihr Hit „Elvis“ positiv heraussticht. Schaut man sich jetzt im Publikum um, sieht man eine große Anzahl von jungen Leuten, die selbst bei diesen Temperaturen ihre Jeansjacken nicht ausziehen wollen, weil man sonst die Aufnähher „Turbojugend“ nicht sehen würde. Das kann nur eins bedeuten: genau, die Norweger von Turbonegro sind in der Stadt. Auf der Mainstage beenden sie den heutigen Tag mit einer gewohnt rockigen und lauten Show und Hits wie „All My Friends Are Dead“, bei der ihre „Jugend“ voll auf ihre Kosten kommt.
Obwohl der Himmel anfangs noch etwas bewölkt ist, knallt auch am zweiten Tag bald die Sonne auf das Gelände. Angesichts dieses Wetters haben sich viele noch kurz entschlossen auf den Weg hierhin gemacht, denn heute ist das Festival mit 15.000 Zuschauern auch komplett ausverkauft. Hier stößt Dockville dann auch an seine Grenzen, lange Schlangen bilden sich nicht nur vor den Dixieklos und Essensbuden, sondern vor allem vor den Getränkeständen, die mit dem großen Andrang teilweise ganz schön überfordert sind. Hier müssen sich die Organisatoren für die nächsten Jahre dringend etwas einfallen lassen.
An der Dorfbühne drängeln sich schon nachmittags viele Leute, denn die vier Jungs von Beat! Beat! Beat! stehen auf der Bühne. Ein echter Geheimtipp, bisher haben sie noch keine LP draußen, liefern aber trotzdem schon ein erstaunlich routiniertes und energetisches Live-Set ab. Allen voran „Fireworks“ macht richtig Spaß. Dass sie aus Deutschland kommen hört man ihnen nicht an, mit ihren britischen Kollegen wie The Foals können sie ohne Probleme mithalten.
Einen sehr schönen Auftritt liefern auch die Indie-Rocker von Wintersleep, die neben ihrem Überhit „Weighty Ghost“ auch einen neuen Song mit im Gepäck haben, der einen gespannt auf das neue Album blicken lässt.
Am frühen Abend folgen auf der Mainstage Element Of Crime mit Sven Regener hinter dem Mikro. Durch die ruhigen Lieder kommt eine melancholische und romantische Stimmung auf, die perfekt zur langsam untergehenden Sonne passt.
Bei Whitest Boy Alive schlägt die relaxte Stimmung um und die Menge tanzt euphorisch und begeistert zu dem Live hervorragend vorgetragenen Elektro-Pop des Norwegers und seiner Band. Anlaufschwierigkeiten gab es dennoch, denn die Technik versagte zu Beginn des Sets und die Mirkos standen zwar dekorativ da, aber singen hören konnte man den guten Erlend nicht. Als das Problem dann behoben ist, gibt es erstmal großen Beifall für die Band, die dieses Jahr schon zum zweiten Mal zum Festival Line-up gehört.
Eng, laut und energetisch geht es derweil auf der Dorfbühne zu, denn Bonaparte, geben sich – wie immer hinter Tiermasken versteckt – die Ehre und werden wild gefeiert. Irgendwann wird es jedoch sehr eng, also schnell rüber auf die Mainstage wo der Headliner des Festival erwartet wird: MGMT. Dort muss man jedoch eine ganze Weile warten, denn die Jungs betreten erst mit einer halben Stunde Verspätung die Bühne.
Über ihre Live-Qualitäten wird ja nicht erst seid kurzem diskutiert, denn die New Yorker spielen keine 1:1 Versionen ihrer Songs, nein sie machen es sich eben nicht so nicht leicht und verlieren sich immer wieder in experimentellen Jams, auf die man sich erstmal einlassen muss. So sind die Reaktionen des Publikums auch sehr unterschiedlich. Während bei den Hits wie „Time To Pretend“ oder „Electric Feel“ euphorisch mitgetanzt und gesungen wird, springt der Funke zwischendrin nicht richtig über. Gerade bei den neuen Songs aus „Congratulations“ ihrem nächsten Album, reagiert die Menge zurückhaltend. Dabei klingen die Stücke durchaus viel versprechend, vor allem der Titeltrack bleibt im Ohr hängen. Der Abschluss mit „Kids“ ist dann aber uneingeschränkt toll, denn passend zum Song kommt eine Gruppe „Kids“ aus Willhelmsburg auf die Bühne, die schön geschminkt und Seifenblasen pustend eine Choreographie zum Song hinlegen und die Menge jubeln lässt. Einer schöner Abschluss auf der Mainstage, aber für die Meisten ist jetzt noch lange nicht genug, denn das Programm geht auf den anderen Bühnen noch weiter.
Am letzten Tag stechen am Nachmittag besonders die Jungs vom Ghost Of Tom Joad hervor und liefern ein energetisches Liveset auf der Dorfbühne ab. Allen voran „Into The Wild“ macht richtig Spaß.
Außerdem stellt Dennis Lisk, besser bekannt als Denyo von den Absoluten Beginnern sein Soloalbum vor. Vom Hip Hop hat er sich hierfür weit entfernt, dafür gibt es jetzt Singer/Songwriter-Musik vom Feinsten. Live unterstützt wird er von einer Band und zwei Background-Sängerinnen.
Zum Abschluss des Festivals kommen dann die Hamburger Kettcar, die von der neuen Philharmonie Frankfurt unterstützt werden auf die Bühne. Wer bei dem großartigen „Balu“ keine Gänsehaut bekommt, dem ist dann auch nicht mehr zu helfen.
Viel zu schnell geht hiermit ein wunderschönes Festival zu Ende, welches sich von den vielen anderen positiv abheben kann. Eigentlich möchte man sofort all seinen Freunden ans Herz legen im nächsten Jahr hinzufahren, aber gleichzeitig hofft man doch, dass es genau so schön familiär bleibt wie es jetzt ist.