Kalt ist es draußen geworden, ein grauer Herbsttag dieser 1. Oktober. Einen passenderen Tag, um sich von Patrick Wolf für ein paar Stunden aus dem tristen Alltag entführen zu lassen, hätte es kaum geben können. Auf diese Idee sind heute viele gekommen, denn es ist voll im Astra. Die Nachfrage nach den Tickets war so groß, dass das Konzert aus dem schnuckeligen Lido kurzerhand hierhin verlegt wurde. Einerseits erfreulich für den Künstler, der so mehr Leute erreichen kann, andererseits schade, denn das Astra Kulturhaus versprüht ungefähr den Charme einer alten Schulaula. Ein dunkler Saal, der mit dem ehemaligen Kino Lido in keinster Weise mithalten kann.
Den Abend eröffnen überpünktlich The Deer Tracks aus Schweden. Mit ihrer meist ruhigen elektronischen, sehr experimentellen Musik und dem teilweise elfenhaften Gesang entführen sie uns in eine andere Welt. Hier und da erinnern sie ein wenig an die Isländer Múm oder Sigur Ros. Ein schöner Einstieg in die folgenden Stunden. Dass sie Lust am Experimentieren haben,zeigt auch schon die Wahl der teilweise ungewöhnlichen Instrumente. So benutzt Sängerin Erin Lindfors in einigen Songs kurzerhand eine Säge als Streichinstrument.
Dann aber ist es Zeit für Patrick Wolf. Mit Federboa, Cape und Overall bekleidet beginnt seine Show mit dem ruhigen „Who Will?“, bei dem er sich aufgrund des Klatschens im Publikum selbst kaum hören kann, wie er später gesteht. Aber es gibt wahrlich Schlimmeres als die Begeisterung des eigenen Publikums. Ruhig geht es auch erst einmal weiter mit „Bluebells“ von dem Album „The Magic Position“, bevor mit „ Libertine“ der erste Klassiker gespielt wird und Patrick Wolf, der zu Beginn seines Sets etwas unterkühlt wirkt, richtig auftaut.
Sein musikalisches Talent an der Geige beweist der Multiinstrumentalist, der live von der Violinistin Victoria Sutherland unterstützt wird, dann erstmals bei „Damaris“, einem der vielleicht besten Songs seines letzten Albums. Sehr anrührend ist auch die darauf folgende Version von „Pidgeon Song“, die allein von den beiden Geigen getragen wird.
Eigentlich wäre man schon vollends begeistert, wenn Patrick Wolf seine Musik für sich sprechen ließe. Doch zu einem richtigen Patrick Wolf Konzert gehören mehrere Outfitwechsel einfach dazu. So überlässt der Brite dann bei „Battle“, nachdem er sich bis auf einen sehr knappen String schon entkleidet hat, kurzerhand einem Fan das Mikro um rasch hinter die Bühne zu spurten und in einem beige und gelbfarbenen Outfit wieder aufzutauchen, dass ein wenig an die alten Griechen und Römer erinnert.
Dass er aber auch sehr ernste Töne anschlagen kann, zeigt er mit „The Sun Is Often Out“, den er jedem widmet, der einen Menschen verloren hat und schmerzlich vermisst. Überhaupt müssen sich auch seine Texte keinesfalls hinter den schrillen Outfits verstecken. Gerade „The Bachelor“, das Album, das ihm aus seiner vielleicht bisher schwersten Zeit geholfen hat, ist sicherlich nicht nur eine Therapie für ihn, sondern auch für seine Hörer, denn egal wie ernst die Themen teilweise sein mögen, ein Funken Hoffnung findet sich in seinen Songs immer.
Dass Patrick Wolf live einfach mitreißend ist, sieht auch das Berliner Publikum an diesem Abend so und vor allem bei „Hard Times“ und „The Magic Position“, zwei von den eingängigsten Stücken des Multitalents, gibt es im Zuschauerraum kein Halten mehr. Patrick, dem soviel Gegenliebe fast peinlich zu ein scheint, bedankt sich immer wieder artig bei seinen Fans und seine zur Schau getragene Coolness bröckelt immer mehr. Zum Vorschein kommt ein sehr sympathischer junger Mann, den man einfach in sein Herz schließen muss.
Als er und seine Band das Konzert nach einem Zugabenblock und einem weiteren Outfitwechsel mit dem in Berlin produzierten „Vulture“ nach gut zwei Stunden beenden, fühlt man sich gewappnet dem unfreundlichen Wetter draußen mit einem Lächeln zu begegnen. Solche Konzerte machen einfach glücklich.