„I practiced all my sainthood“ – eine Songzeile aus dem Leonard Cohen-Song “I came so far for beauty” inspirierte das mittlerweile sechste Studioalbum der Quin-Zwillinge. Wer hinter diesem Titel jedoch ein religiöses Thema vermutet, der irrt. Vielmehr geht es darum, in allen Beziehungen des Lebens und der Liebe das beste Ich hervorzubringen, das man zu sein vermag.
Damit ist der erste Kontrast zum Vorgänger „The Con“ (2008) gegeben, der eher das Vortäuschen eines falschen Ichs thematisierte. Auch klanglich begegnen dem Hörer klare Unterschiede. „Sainthood“, das von Chris Walla (The Con) und Howard Redekopp (So Jealous) co-produziert wurde, ist das erste Album in der Tegan and Sara-Diskografie, das als Band eingespielt wurde. So wurden die Songs zig Mal im Studio geprobt bevor sich die Studiotüren öffneten. Der Albumopener „Arrow“ stellt dies sogleich unter Beweis und überrascht – ja erschrickt – den Hörer mit dem krachenden Synthie-Sound. Ebenfalls neu ist der Versuch des gemeinsamen Schreibens. Im Spätsommer 2008 mieteten die Zwillinge ein Haus in New Orleans, um dort erstmals gemeinsam zu arbeiten. Jedoch landete keiner dieser Songs auf dem nicht-heiligen Endprodukt. Lediglich „Paperback Head“ ist eine Kollaboration, das ungewohnt viel Groove entwickelt. Trotz des Bandansatzes entfaltet jede Zwillingsschwester auf „Sainthood“ ihre Individualität. Vor allem Sara sticht mit Ohrwürmern wie „On Directing“ und „Alligator“ heraus. Ein weiterer Höhepunkt des Albums ist „Sentimental Tune“, auf dem Petra Haden – bekannt u. a. durch die Zusammenarbeit mit den Foo Fighters (In Your Honor, 2005) – Violinen-Parts beisteuerte. Allerdings durchziehen ihre Songbeiträge eine tiefe Traurigkeit, da sie auf „Sainthood“ vornehmlich über das Scheitern einer fünfjährigen Beziehung, aber auch über die Scheidung ihrer Eltern reflektiert.
Tegan verarbeitet eher die glücklichen Facetten der Liebe. Die Single „Hell“, „Don’t Rush“ und „The Cure“ sind Produkte des Seitenprojektes von Tegan mit Hunter Burgan (AFI). Mit „Northshore“ liefert sie den gewohnten Tegan-Punkrock-Song ab, der sich perfekt hinter „Speak Slow“ (So Jealous) und „Hop A Plane“ (The Con) einreiht. Überraschend ist allerdings das finale „Someday“, das mehr gesprochenes Wort als Gesang ist, aber einen herrlichen positiven Sound hat.
Tegan and Sara zeigen sich auf „Sainthood“ experimentier- und spielfreudig. Vor allem Sara stellt ihre Qualitäten für eingängige Popmelodien unter Beweis, die bereits auf den Vorgängeralben zum Vorschein kamen. Künstlerisch haben die Quins alles richtig gemacht. Fans, die jedoch ein zweites „The Con“ erwartet haben, könnten enttäuscht sein. So geht „Sainthood“ zugunsten des Bandsounds ein wenig Intimität verloren.
VÖ 29.01.2009/ Warner
Tracklist:
Arrow 8/10
Don’t Rush 7/10
Hell 8/10
On Directing 10/10
Red Belt 8/10
The Cure 9/10
Northshore 6/10
Night Watch 8/10
Alligator 9/10
Paperback Head 7,5/10
The Ocean 8/10
Sentimental Tune 10/10
Someday 10/10
Durchschnitt: 8/10
Gesamteindruck: 8,5/10