45 Songs in 14 Monaten – Mark Oliver Everett kann wirklich nicht als faul bezeichnet werden. Und hier findet sich der einzige Kritikpunkt: Herr Everett macht sich durch dieses Übermaß an musikalischem Output klein, kleiner als notwendig und droht so, seine großartigen Songs selbst in die Belanglosigkeit zu verbannen. Gerade TOMORROW MORNING beinhaltet alles, was das Indie-Herz begehrt. Große Tragik nicht ohne Augenzwinkern geht einher mit Bescheidenheit und einem großartigen Gefühl für den Moment. Denn die Eels geben ihren Songs Zeit zu leben, zu atmen.
Die Stücke sind lose verbunden durch eine für die Eels unbekannte Leichtigkeit und die Eels-typische, brüchige Stimme Everetts. Am Ende der Trilogie über Sehnsucht, Verlust und Trauer (HOMBRE LOBO, END TIMES und jetzt TOMORROW MORNING) steht der nächste Morgen. Verschlafen und doch voller Tatendrang scheinen sich die Eels, oder ist es eigentlich nicht nur Herr Everett, gen aufgehender Sonne in eine unbestimmte Zukunft zu bewegen.
TOMORROW MORNING ist das wunderbarste LowFi Album der letzten Jahre. Wie in einer Kiste voll Erinnerungen an glückliche Zeiten, finden sich an jeder Ecke Momente, die es zu bewahren gilt. Antiquiert und gleichzeitig sehr viel moderner als viele Bands heute gern klängen. Everett braucht nichts mehr zu beweisen, denn nicht erst mit TOMORROW MORNING ist er bei sich angekommen. Die Instrumente, soweit sie nicht gänzlich am Computer simuliert wurden, scheppern herrlich billig vor sich hin („Baby loves me“). Man hört Loops und Synthies en masse („This is where it gets good“) und wundert sich über die -ja!- Lebensfreude, die aus jedem Song strömt. Und dann kommt plötzlich ein Song wie „What I have to offer“ oder „I like the way this is going“ und man ist tief ergriffen.
Keine Überproduktion, niemals Kitsch. Everett öffnet sein Herz auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten, der vielen Künstlern bei zu großer Assimilation das musikalische Aus bereitet. Doch Everett wäre nicht die Eels, wenn er es nicht schaffte, jeden simplen Song zu etwas Besonderem zu machen. Die Komposition ist stets durchdacht und nie berechenbar, die Melancholie schwingt trotz aller Lebensbejahung immer mit, dazu das Gespür, den Hörer zu fesseln ohne ihn zu binden. TOMORROW MORNING eignet sich scheinbar wunderbar als Hintergrundmusik in Kaufhäusern. Doch lohnt es sich, sich wenigstens ab und an einfach etwas tiefer in die Musik fallen zu lassen.
VÖ: 20.8.2010 Cooperative Music/ Universal
Tracklist
1 – In the gratitude for this magnificent day 6/10
2 – I´m a hummingbird 7/10
3 – The morning 7/10
4 – Baby loves me 7,5/10
5 – Spectucular girl 7/10
6 – What I have to offer 10/10
7 – This is where it gets good 8/10/10
8 – After the earthquake 7/10
9 – Oh so lovely 8/10
10 – The man 7/10
11 – Looking up 7/10
12 – That´s not her way 8/10
13 – I like the way this is going 9/10
14 – Mysteries of life 8/10
Gesamt: 7,6/10
Gesamteindruck 8/10