Die wahnwitzige Kombination ihres Erstlings aus Breitwand-Pop, experimentellen Soundcollagen, Weltmusik-Einflüssen und melancholischem Gejauchze brachte den Guillemots 2006 -völlig zurecht- eine Nominierung für den Mercury Prize, Großbritanniens bedeutendstem Songwriter-Award im Popbereich, ein. Nicht zuletzt dank „Sao Paolo“, dem zwölfminutigen, finalen Epos von THROUGH THE WINDWOWPANE. Das „Bohemian Rhapsody“ der Nuller-Jahre, wenn man so will.
Der Nachfolger RED war hingegen weit entfernt von jeglicher Preiskrönung: Plötzlich klangen die Guillemots unpassenderweise nach Hochglanz-Pop und Synthie-Glamour. Keiner wusste genau warum, im Nachhinein vermutlich nicht mal mehr die Band selbst. Diesen Eindruck hat man zumindest, wenn man FLY YELLOW MOON, das erste Soloalbum von Bandleader und Songwriter Fyfe Dangerfield, aufmerksam durchhört. Die Platte klingt eindeutig wie ein Neubeginn: Weniger Schnick-Schnack, kein Glamour, sondern eine Fokussierung auf das Wesentliche – die Songs an sich. Ein richtiger Schritt, denn die Stücke zeigen, dass Dangerfield zweifelsohne zu den begabtesten zeitgenössischen britischen Songwritern zählt. Akustikgitarre, Piano und seine Stimme – das sind die Instrumente, die bei vielen Stücken im Vordergrund stehen. Im herrlich melancholischen „Barricades“ zum Beispiel, einer klassischen Klavierballade, in der Dangerfield die Liebe als „crippled dream“ besingt, während sich wehmütige Streicher im Hintergrund um seine klagende Stimme winden. Oder in „Live Wire“, einem wunderbaren Kleinod von Song – ruhig und zurückhaltend, von perlendem Piano und gefühlvollem Gitarrenpicking getragen. Solchen Minimalismus hätte es auf RED nicht gegeben.
Ganz vom Pomp ablassen kann Fyfe Dangerfield dann allerdings doch nicht: In den Singles „Faster Than The Setting Sun“ und „She Needs Me“ wird mit Streicherensembles und Blasorchester dick aufgetragen. Kein Wunder, denn die beiden Songs wurden von Ex-Suede-Frontmann Bernard Butler produziert, also quasi einem Experten für pathetischen Pop. Und sie zählen zu den stärksten Songs der Platte, erinnern sie doch an das großartige Guillemots-Debüt.
Der größte (und vielleicht einzige echte Vorwurf), den sich die Platte gefallen lassen muss liegt darin, dass bei den ersten Hördurchläufen kaum ein Zusammenhang zwischen den Songs erkennbar ist. Jedes Stück wirkt eigenständig, das Album zunächst eher wie eine Compilation. Wer FLY YELLOW MOON jedoch ein wenig Zeit gönnt, wird dafür reich entlohnt: Platten wie diese sind der perfekte Soundtrack für kommende graue Herbsttage – reich an Melancholie und zugleich voller erhabener Wärme, die ein wohliges Gefühl in dieser tristen Jahreszeit erzeugt.
VÖ: 22.10.2010; Universal
Tracklist:
01. When You Walk In The Room 7/10
02. So Brand New 6/10
03. Barricades 8/10
04. High On The Tide 7/10
05. Faster Than The Setting Sun 8/10
06. Livewire 7/10
07. Firebird 6/10
08. She Needs Me 9/10
09. Don’t Be Shy 6/10
10. Any Direction 6/10
11. She’s Always A Woman 7/10
12. Awake, Asleep 6/10
13. Let’s Start Again 7/10
Durchschnitt: 6,9/10
Gesamteindruck 7/10