Eine Frau entsprungen wie aus einem Tarantinofilm – rein optisch natürlich – macht sich auf, die Musikwelt durcheinanderzuwirbeln. Nick Cave und Brian Eno liegen ihr schon zu Füßen, jetzt soll der Rest der Welt folgen. Anna Calvis Debütalbum ist sicherlich eines der abwechslungsreichsten und beeindrucktesten, was seit längerem von der Insel zu uns herübergekommen ist. Beeindruckend uneinordbar, beindruckend selbstbewusst, beeindruckend düster. Aber eben auch: beeindruckend cineastisch.
Inspiriert unter anderem von Wong Kar-Wai oder Gus Van Sant und – wo wir schon mal beim Namedropping sind: Ihre Musik hat auch eine gehörige Portion von Ennio Morricones Soundlandschaften, einem der wohl größten Filmkomponisten überhaupt.
Also lassen wir den Film beginnen. Und er beginnt düster, soviel gleich vorneweg. Düster und dramatisch, mysteriös, wie gemacht für einen David Lynch Film. Eine Gitarre, mehr nicht trägt „Rider To The Sea“ und zeigt uns, in welche Richtung uns Anna Calvi entführen wird. Schon in diesen gut zweieinhalb instrumentalen Minuten entlockt sie ihrem Telecaster so einiges an Stimmungen und auch sonst steht ihre Gitarre oft im Mittelpunkt der Songs, da gibt es wenig Instrumente, die von ihr ablenken. Drums, Harmonium, ab und an Percussion und eine zweite Gitarre, mehr gibt es nicht zu hören. Mehr braucht es auch gar nicht. Und über allem schwebt Anna Calvis unglaublich vielseitige Stimme, mal beruhigend sanft, mal unmittelbar vor dem Ausbruch.
Fragil und zerbrechlich geht es dann weiter mit „No More Words“, aber Frau Calvi kann auch anders, bombastisch nämlich („The Blackout“). Doch auch vor Drama und einer gut dosierten Portion Pathos macht sie nicht halt, wie die Huldigung an den Flamenco namens „The Devil“ beweist. Eines der Highlights eines nicht gerade highlightarmen Albums ist aber wohl das bluesige „I’ll Be Your Man“, das gekonnt mit einer laut/leise Dynamik spielt und dessen sehnsuchtsvolles Gitarrensolo am Anfang einen nicht mehr so recht loslassen mag.
Anna Calvi musikalisch einzuordnen fällt schwer. Schert sie sich doch so gar nicht darum, was gerade angesagt ist, sondern kreiert ihren ganz eigenen Stil aus Rock, klassischer Musik und teilweise Flamencoanklängen. Klingt ungewöhnlich? Ist es auch und genau das macht die Sache spannend. Es ist nicht immer einfach was uns hier präsentiert wird, aber es bleibt eines der spannendsten Debüts seit langem.
„Love Wont’t Be Leaving“ als pompöses Finale schließlich, lässt einem doch die Hoffnung, dass Anna Calvis Musik Soundtrack zu einem zwar düsteren, ja morbiden Film sein mag, dessen Ende jedoch zumindest ein kleinen Funken Hoffnung gibt. Und seien wir mal ehrlich: die Filme, die einem im Gedächtnis bleiben, sind in den seltensten Fällen rosarote Kitschkomödien. Ein bisschen Drama darfs dann doch sein. Im Film wie in der Musik.
VÖ: 14.1.11 Domino Records/ Goodtogo
Tracklist:
1 – Rider To The Sea 7/10
2 – No More Words 8/10
3 – Desire 7/10
4 – Suzanne and I 7/10
5 – First We Kiss 7/10
6 – The Devil 8/10
7 – Blackout 7/10
8 – I’ll Be Your Man 8/10
9 – Morning Light 7/10
10 – Love Wont Be Leaving 8/10
Durchschnitt: 7,4/10
Gesamteindruck:7,5/10