Am 04.12.2010 wurde in der Londoner Wembley Arena, der kleinen Schwester des Wembley Stadiums, ein Stückchen Musikgeschichte geschrieben: Die Alternative-Rocker von Biffy Clyro, welche sich im Laufe der letzten 10 Jahre zu einer DER Live-Bands unserer Zeit entwickelt haben, waren aus ihrer schottischen Heimat angereist, um ihre enorme Qualität auf der Bühne eindrucksvoll unter Beweis zu stellen.
Für alle, die nicht dort sein konnten, erscheint der dabei festgehaltene Live-Mitschnitt am 24. Juni als das bisher erste Live-Album der Band bei Warner Music. Wem die 19-Track-starke Standardausführung nicht reicht, der hat die Möglichkeit, sich die 2 CD/DVD-Version zuzulegen, welche mit der kompletten Setlist des Abends aufwartet – 25 Tracks mit optional zuschaltbarem Bandkommentar zu jedem Song – und obendrein eine Dokumentation ihres Auftritts beim schottischen Festival „T in the Park“ im letzten Jahr bereithält. Echte Fans werden allerdings wohl ohnehin zur dritten Ausführung greifen; dem „Limited Edition Tinset“, einer Metallbox-Variante, welche zusätzlich allerlei Spielereien wie Poster, Tour-Konfetti etc. beinhaltet.
Im Zentrum dieses denkwürdigen Auftritts steht dabei das Album ONLY REVOLUTIONS aus dem Jahr 2009, welches in Großbritannien gleich sechs Hit-Singles in den Charts platzieren konnte und mittlerweile über eine halbe Million mal über die Ladentheke gegangen ist. Ganze elf von zwölf Songs dieses Erfolgsalbums lassen Biffy Clyro in den Wembley-Gig einfließen und bringen die Konzerthalle damit zum Beben. So eröffnen sie den Abend mit dem Song „The Captain“, welcher auch der Opener des Albums ist und förmlich zu diesem Zweck bestimmt scheint. Während sich die meisten weiteren Erfolgsnummern dieser Platte, so z. B. „That Golden Rule“ und „Bubbles“, in der ersten Hälfte der Show konzentrieren, finden sich zwei der ruhigeren Songs, „Know Your Quarry“ und „Many of Horror“, im hinteren Teil, bevor der Auftritt mit „Mountains“, einem echten Kracher und der erfolgreichsten Single, schließt. Neben dem fast kompletten fünften Longplayer der Formation findet sich allerdings auch eine Reihe der wichtigsten Songs ihrer ganzen Karriere in dem umwerfenden Set. Dabei rufen die drei Jungs ihr volles Spektrum von rau und alternativ, z. B. in „There’s No Such Thing As a Jaggy Snake“, bis ruhig und melancholisch ab, etwa bei „Folding Stars“ und „Machines“, welche Frontmann Simon Neil ganz alleine auf der Akustikgitarre performt. Außerdem lassen sie nicht nur Songs wie „Saturday Superhouse“ und „Who’s Got a Match“ von ihrem vorletzten Album PUZZLE einfließen, sondern gehen über Performances der wichtigsten Stücke ihrer ersten drei Alben bis zu ihren Anfängen zurück. So komplettieren sie das Set mit „57“, einer Nummer, die bereits auf der Debüt-EP von 2000 enthalten ist und bis heute immer wieder von den Fans gefordert wird. Ein musikalisches Highlight jagt somit das nächste und was dabei herauskommt, ist eine beeindruckende Übersicht über die gesamte Bandhistorie.
Das Ganze wird von einem perfekt an die Show angepassten Bühnenbild verfeinert, von einer bestechenden Lichtshow wie auch von immer wieder eingestreuten Zeitlupen-Effekten, die den vollen Körpereinsatz jedes Bandmitglieds betonen, die Emotionen der Zuschauer festhalten und somit eine überwältigende Atmosphäre schaffen. Darüber hinaus unterstützt Oceansize-Frontmann Mike Vennart die Gruppe, indem er als Tourgitarrist einspringt und dabei hilft, den ohnehin schon sensationellen Sound noch etwas voller zu gestalten. In diesem Zusammenhang seien auch die wunderbaren Backing-Vocals von Bassist James und Drummer Ben Johnston erwähnt. Die Zwillinge halten den Ton während der Arbeit an ihren Instrumenten in jeder Situation perfekt und tragen nicht zuletzt auf diese Weise zu jenem musikalischen Feuerwerk bei. Abgerundet wird dieses Meisterstück schließlich durch einen Mix aus Backstage-Szenen von „The Biff“ und Filmmaterial ihrer Fans auf Konzerten im Rahmen der 2010er-Tour. Dieses Material fungiert zum einen als Vorspann, zum anderen mehrfach als Zwischenspiel und ist musikalisch jeweils von „Love Has a Diameter“ vom PUZZLE-Album untermalt, bzw. von „Some Kind of Wizard“, das sich auf INFINITY LAND befindet.
Während des hier abgebildeten, knapp zweistündigen Konzertmitschnittes wird zu jedem Zeitpunkt klar, dass die Musik von Biffy Clyro einfach von Herzen kommt und ihre Hörer auch genau dorthin trifft. Man merkt sprichwörtlich von der ersten Sekunde an, dass diese Truppe Ausnahmecharakter besitzt. So verwundert es nach diesem wirklich atemberaubenden Live-Rock-Erlebnis auch nicht weiter, dass die Band ihren Weg nach oben gemacht hat und bei den diesjährigen NME Awards sogar als beste Live-Band ausgezeichnet wurde. Viele weitere Nominierungen verdeutlichen nochmals das gewaltige Potenzial der drei Schotten, die inzwischen auf einer Ebene mit den ganz großen des Rock-Business spielen und zu den wenigen Live-Acts zählen, welche sich auf ihren Konzerten genauso gut, wenn nicht gar besser anhören als auf Platte.
VÖ: 24.06.2011; Warner Music International
Tracklist:
01. The Captain 9/10
02. Booooom, Blast & Ruin 9/10
03. 57 10/10
04. Bubbles 10/10
05. Born on a Horse 9/10
06. God & Satan 7/10
07. Whorses 7/10
08. Joy. Discovery. Invention 8/10
09. All the Way Down; Prologue / Chapter 1 9/10
10. That Golden Rule 10/10
11. Living is a Problem Because Everything Dies 9/10
12. Shock Shock 7/10
13. 9/15ths 6/10
14. Folding Stars 7/10
15. Diary of Always 8/10
16. Machines 9/10
17. Who’s Got a Match 9/10
18. Saturday Superhouse 9/10
19. Know Your Quarry 7/10
20. There’s No Such Thing As a Jaggy Snake 7/10
21. Many of Horror 9/10
22. Glitter & Trauma 8/10
23. Justboy 9/10
24. As Dust Dances 7/10
25. Mountains 8/10
26. BONUS MATERIAL: Only Reflections (Live from T in the Park) (nicht gewertet)
27. BONUS MATERIAL: Track by Track Band Commentary (nicht gewertet)
Durchschnitt: 8,3/10
Gesamteindruck: 9/10
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