Tag 1
Thema Nummer 1 im Vorlauf zur 2011er Ausgabe des Haldern Pop Festivals ganz klar: Das Wetter! Wenige Tage vor Festivalbeginn musste noch von ununterbrochenen Wolkenbrüchen ausgegangen werden. Sonne? Nicht dran zu denken.
Als hätte es all diese Berichte nie gegeben, präsentierte sich das Wetter am Niederrhein am Donnerstag. Bei ungewohnt stauarmer Anreise zeigte sich der Himmel größtenteils blau, die Sonne strahlend und das Wetter T-Shirt-tauglich.
So hielt es sich, bis gegen 17:30 die wunderbaren Retro Stefson mit ihrer wahnwitzigen Mischung aus Afro Beat, Indiepop, Elektrospielereien und Tanzunterricht das Zeltprogramm eröffneten. Ein wahrhaft würdiger Auftakt war das. Songwriter Ben Howard, Indie-Lieblinge Yuck und das neue Haldern-Pop-Signing Julia Marcell folgten und enttäuschten nicht, bevor es zu einem weiteren Highlight der diesjährigen Festivalausgabe kam: The Avett Brothers. Die Folkrockinstitution aus North Carolina stellte für nicht wenige Besucher den Höhepunkt des Haldern-Donnerstags dar. Mit Anna Calvi folgte einer der meistbesprochenen Newcomerinnen 2011, bevor das großartige Brandt Brauer Frick Ensemble den Auftakttag mit seiner ureigenen Mischung aus Minimal, Fusion, Jazz und Pop in großer Instrumentierung beschloss.
Kurz zuvor gab es für den tanzwütigen Teil des Publikums ein ganz spezielles Bonbon: Die Lokalmatadore COMA (früher Halderner Dorfjugend, heute Köln) brachten auf einer eigens für diesen Auftritt neu installierten Bühne den Biergarten zum Beben und erweiterten das Haldern Pop um eine neue Facette. Vielleicht war das ja eine Art Testballon für kommende Jahre? Warum nicht, während die Folkies am Zelteingang warten, auch mal elektronischeren Musikspielarten Raum geben? Das wäre doch was.
Tag 2
Die erste Zeltnacht in den Knochen, Grillfleisch im Bauch und ordentlich frische Luft getankt, wurde dem werten Halderner Publikum nun endlich auch das Herzstück des Festivals zugänglich gemacht – das eigentliche Festivalgelände mit der Hauptbühne. Nachdem 206 und die tollen Bodi Bill den Freitagsreigen im Spiegelzelt eröffneten, war es Golden Kanine aus Schweden vorbehalten, die große Bühne zu eröffnen. Leider waren Tageszeit und Helligkeitsgrad ebenso wenig angemessen wie bei den nachfolgenden Antlers, aber das sind ja die typischen Festivalluxusprobleme. Bei einem dermaßen großen Qualitätslineup kann nunmal nicht jeder zur Prime Time spielen. Das Publikum zeigte sich trotz der nicht optimalen Umstände dankbar und applausfreudig.
Selah Sue, Gisbert zu Knyphausen und eine der Festivalüberraschungen überhaupt, Miss Li aus Schweden, setzten das Programm auf dem Reitplatz fort, während im Spiegelzelt mit den Wild Beasts, Socalled und Dry The River viel Abwechslung zwischen Falsettpop, HipHop und kantigen Indietönen geboten wurde.
Der Abschluss des Abends gestaltete sich für Fans ruhiger Töne dann leider ein Stück weit enttäuschend. Während Okkervil River ein super Konzert ablieferten, kamen sich folgend die Wombats mit Alexi Murdoch und James Vincent McMorrow in die Quere. Oder andersrum. Jedenfalls war es eine etwas unglückliche Zeitplanung die laut wummernden Wombats parallel zu den ruhigsten Konzerten des ganzen Festivals laufen zu lassen. Im Spiegelzelt war mitunter mehr Hauptbühnenbass zu hören als alles andere. James und Alexi versuchten es aber mit Humor zu nehmen und spielten trotz allem wunderbare Konzerte. Für nächstes Jahr aber, liebe Haldernprogrammmenschen: Bitte ein wenig mehr drauf achten, wer da gegeneinander anspielen muss.
Tag 3
Der Regen hat endgültig gewonnen. Nicht durchgängig, aber andauernd mal wieder, gern auch etwas heftiger – wie nervig! Zum großen Glück waren am Haldern-Samstag aber sowohl Bühnen- als auch Zeltprogramm so gut bestückt, dass man, das Regencape immer am Mann/Frau, dem Wetter gegenüber gut in den Ignore-Modus schalten konnte.
Den Anfang machten im Spiegelzelt die Holländer The Black Atlantic, die schon auf der 2010er Festivalausgabe allgegenwärtig waren. Warum dann der frühe Slot? Wie dem auch sei, ein gewohnt großartiges Folkerlebnis war geboten. Steve Cradock (bekannt als Gitarrist von Ocean Colour Scene und aus der Paul Weller Band) setze den Nachmittag mit angemoddetem Retrosound fort, Timber Timbre und – mit einem der überraschend besten Auftritte des Festivals – Dan Mangan hielten die Quaklitätsfackel am brennen. Währenddessen kam die Hauptbühne am letzten Festivaltag eher gemächlich in Fahrt: Moss aus Holland, Alex Winston und Destroyer eröffneten, bevor mit James Blake das erste richtige Highlight anstand. Seine Subbässe brachten das Bühnendach streckenweise Maschinengewehrartig zum scheppern, sein Auftritt enttäuschte nicht und wurde mit viel Applaus bedacht. Dennoch hätte man sich etwas passendere Begleitumstände gewünscht, beispielsweise einen späteren Slot. Mit La Brass Banda folgte eine der ungewöhlichsten Bookings der letzten Jahre. Mit Blasinstrumenten intonierter Ritt durch verschiedenste Musikstile zwischen Dancehall und Balkanbeats, und das alles in Bairischer Mundart. Ganz klar Geschmackssache.
Keine ‘Zeit zum Ausruhen, stand doch schon eine Art “Headlinerquartett” in den Startlöchern. Wir sind Helden, The Low Anthem, Fleet Foxes und Explosions in the Sky sorgten für einen durchgängig prall gefüllten Reitplatz und lieferten jeder für sich großartige Konzerte ab. Gerade Explosions in the Sky mit ihrem epischen Postrock waren der perfekte Festivalschlusspunkt, hier wurde der Mut zu Überraschungsbands der Haldernmacher belohnt.
Auch auf der Zielgeraden: die Spiegelzeltbühne. Hier begeistertern ganz besonders Warpaint, die vielleicht DAS Konzert des ganzen Festivals spielten. Deutlich druckvoller als auf den Platten, ein ganzer Sack voll Spielfreude stimmlich in Topform. Schade, dass die Spielzeit Festivaltypisch auf 45 Minuten begrenzt war. Es hätte ewig so weitergehen können. Während Agnes Obel danach den allerletzten Haldern Pop 2011 Auftritt hinlegte, wurden in der Zeltstadt haufenweise Abschiedsbiere geöffnet, und mit Tränen (oder doch nur Regentropfen?) im Knopfloch hieß es einzig: bis zum nächsten Mal!
Ein paar schöne Festival-Eindrücke; Fotograf: Verena A.
Dan Mangan:
no images were found
Fleet Foxes:
no images were found
Besucher:
no images were found