Verhalten. Das Wort trifft wohl am ehesten auf den Auftakt des diesjährigen Berlin Festivals zu. Denn an diesem Freitag bleib es doch erstaunlich leer auf dem Gelände des ehemaligen Flughafen Tempelhof. Woran das liegt, lässt sich nicht so richtig beantworten, das Line-up jedenfalls ist alles andere als schlecht. Auch den Organisatoren kann man in diesem Jahr keinen Vorwurf machen, denn aus den Fehlern des vergangenen Jahres, bei dem das Festival am Freitagabend wegen zu großem Andrang an einer Eingangsschleuse vor einem der Hangars abgebrochen werden musste, hat man augenscheinlich gelernt. Die drei großen Bühnen sind geblieben, die beiden Hangars, in denen sich jeweils eine Bühne befindet sind jedoch im Gegensatz zu den vorherigen Jahren weit geöffnet, sodass die Besucher ohne Schleusen ungehindert von Bühne zu Bühne gehen können und auch der Einlass ist besser geregelt.
Viel zu früh an diesem Tag darf um 14 Uhr James Blake das Berlin Festival auf der Hauptbühne eröffnen. Auch wenn er sich einen deutlich späteren Slot durchaus verdient hätte und die Zuschauermenge der Zeit entsprechend sehr überschaubar bleibt – das, was die Anwesenden zu hören bekommen lässt sich genau mit einem Wort beschreiben: wundervoll. Schon von weitem nimmt einen vor allem der markerschütternde Bass ein und spätestens bei seinem Überhit „Limit To Your Love“ weiß man: James wird mal ein ganz großer. Wenn er das nicht schon ist.
The Rapture sorgen ein wenig später am Nachmittag ebenfalls dafür, dass das Berlin Festival musikalisch gut beginnt, auch wenn das Publikum noch immer ein wenig verschlafen wirkt. Dass diese Band ziemlich gut ist, scheint sich so langsam herumgesprochen zu haben, gerade sind sie mit „In The Grace Of Your Love“ in die deutschen Charts eingestiegen und dieser Song ist es dann auch, der als Opener zu diesem sehr runden Set dient. Und ab etwa der Hälfte tauen doch tatsächlich so einige Tanzbeine auf, The Rapture kann man sich eben nicht so leicht entziehen. Sänger Luke Jenner hat auch alles, was einen guten Frontmann auszeichnet, da braucht es gar nicht vieler Worte, den Kontakt zum Publikum findet er trotzdem. Im Bühnengraben.
Wenig aufregendes zu bieten haben hingegen The Drums, die lieber für sich selber zu musizieren scheinen als fürs Publikum. Gespielt wird ein Querschnitt aus alten und neuen Songs, das Konzert scheint jedoch vielmehr eine Pflichtveranstaltung für die Herren aus New York zu sein, zu routiniert wirkt das was da auf der Bühne geboten wird. Sänger Jonathan, wie immer von seiner eigenen Coolness angetan, steht gerne Modell für die Fotografen, aber musikalisch bleibt alles leider live sehr belanglos. Darum geht es lieber rüber in den Hangar zu den Mädels von CSS. Da ist es allen voran Sängerin Luisa »Lovefoxxx« Hanae Matsushita, die die Fäden in der Hand hat und mit ihrem extrovertierten Auftreten für Begeisterung im Publikum sorgt, allen Soundproblemen zum Trotz. Auch wenn die Songs ihres aktuellen Albums LA LIBERACIÓN eher poppig sind, Punk und Elektro bleiben doch die Eckpfeiler der Mädchenband. Eine Band, die Live durchaus zu begeistern weiß.
Auf der Hauptbühne geht es weiter mit einer Band, bei der man es schwer hat, sie richtig einzuordnen: Battles. Irgendwo zwischen Rock, Pop und Elektro mit einer gehörigen Portion Improvisation bewegt sich die Liveshow der drei New Yorker. Die Drums treiben mit unglaublicher Präzision die Lieder voran, während Ian Williams gerne einmal zwei Instrumente gleichzeitig bedient (wahlweise zwei Keyboards oder Gitarre und Keyboard). Ziemlich beeindruckend, da passt alles zusammen. Auch ohne Sänger, der kurz vor den Aufnahmen zum zweiten Album GLOSS DROP die Band verließ. Geschadet hat es ihnen augenscheinlich nicht.
Währenddessen sorgen auch Hercules & Love Affair im Hangar für ausgelassene Stimmung. Die drei Sängerinnen um Andy Butler wissen mit unglaublicher Stimmkraft und Begeisterung an der Musik zu überzeugen und bringen den Hangar von der ersten Sekunde an zum Beben. Den eingängigen Housemelodien kann sich eben so leicht keiner entziehen. Von ihrem aktuellen Album ist vor allem „My House“, das besonders hervorsticht.
Große Erwartungen werden Primal Scream entgegengebracht, die nun auf der Hauptbühne ihr Album SCREAMADELICA in voller Gänze performen. Auch wenn Bobby Gillespie & Co. sehr bemüht sind, wirklich leicht haben sie es beim Publikum nicht und auch Gillespies Gesang reicht nicht aus, um vollends zu überzeugen. Zum Glück ist da noch seine Backgroundsängerin, die hilft. Insgesamt ein guter Auftritt.
Auf die Technik ist ebenso wie in den vergangenen Jahren auch dieses Jahr nicht immer Verlass. Das bekommt vor allem Santigold zu spüren, die mit ihren beiden Tänzerinnen und einer durchaus interessanten Bühnenshow mit fast einer halbe Stunde Verspätung auf der Bühne steht und dann auch nur sehr kurz. Dafür dürfen ein paar Fans mit ihr auf eben dieser tanzen.
Suede beenden schließlich auf der Hauptbühne angemessen Tag 1 des Berlin Festivals. Brett Anderson und seine Band liefern eine durchweg energetische Show, bei der Mr. Anderson nicht wirklich lange still stehen mag. Vielmehr tigert er lieber von einer Seite der Bühne zur anderen und fordert das Publikum mehrmals zum mitsingen auf. Dieses scheint aber vor allem auf einen Song zu warten: „Beautiful Ones“. Den bekommt es auch, ganz am Ende des zugabenlosen Sets. Danach verschwinden Suede pünktlich um 24 Uhr. Ebenso wie wir mit der Hoffnung auf ein paar Besucher mehr am Folgetag.
Fotos von Tag 1; Fotografen Julia F. & Roxi K.
CSS
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