Tanzen, bis die Bläser kommen? Ja, das passt ganz gut zum Samstag, der mit mehr Publikum, mehr Trompeten und Saxofonen und mehr Blasen an den Füßen aufwartet. Dennoch fehlt am Ende was.
Gleich zu Anfang starten die Isländer Retro Stefson das Fitnessprogramm der Berliner mit ihren wilden Tanzeinlagen, die vor und auf der Bühne unter großem Jubel vollführt werden. Beeindruckend dabei die muskulösen Oberschenkel des Vortänzers Haraldur Ari Stefánsson, der in seinen schwarzen engen Shorts das Publikum richtig anheizt. Noch ist die Hütte zwar nicht voll, aber die, die da sind haben Spaß. Besonders auffällig ein braun gelockter, hippiesk anmutender junger Herr mit großer Wasserflasche und meditativer Aura. Sein Tanzstil ist raumgreifend und nahezu esoterisch. Verloren in seiner Welt hüpft er und zieht seine ausladenen Kreise. Ihn sieht man noch des Öfteren an diesem Tag und kann sich das liebevolle Schmunzeln nur schwerlich verkneifen.
Im Hangar nebenan spielen derweil die Tune-Yards und lassen einen ein wenig von der Aerobic am frühen Nachmittag entspannen. Sie bieten experimentellen Art-Pop und präsentieren die ersten Bläser des Tages. Gekonnt schreit, wispert, schlägt, trommelt, streichelt die Frontfrau Merrill Garbus in ihren Looper und erzeugt damit effektvoll unglaubliche Klangwelten. Faszinierend.
Stylisch kommt Aloe Blacc auf die Hauptbühne. Rote Fliege, enges weißes Hemd, Weste, Sonnenbrille, gut sitzende Hose. Das toppt nicht mal Jan Delay in seiner Urform als Eißfeldt am Abend. Mr. Blacc bringt smoothen Soul nach Berlin und zitiert dabei nicht nur tänzerisch James Brown, Marvin Gaye oder Stevie Wonder. Und klar, Bläser, die ebenfalls geschmeidig tanzen, sind auch dabei. Alle warten sie natürlich auf den Hit. Als “I Need A Dollar” kommt, singen dann auch alle frenetisch mit, aber auch sonst hat das Werk des Amerikaners so einiges Butterweiches zu bieten. Da ölen sich die Tanzgelenke von ganz allein.
Elektronischer und kühler geht es dann bei Mount Kimbie zu. Das ist nicht weniger gut, eben nur ein echter Kontrast zur Main Stage. Doch das macht den Reiz eines Festivals ja aus. The Naked And Famous nehmen sich aus dem Elektrotäschchen auch eine ordentliche Prise und würzen das noch mit gehörig guter Laune. Da fühlt sich der hippe Berliner dann auch ganz wohl. So richtig enthusiasmiert ist er dann, wenn Boys Noize mit ordentlich TamTam, Feuerfontänen und Nebelsäulen die Masse vor der Hauptbühne in einen brodelnden Haufen verwandelt, der den nächsten Beat kaum erwarten kann und schon zur Sicherheit vorher vor Ekstase aufschreit. One for me, ecstasy.
Danach kann es dann eigentlich nur noch eins geben, worauf Berlin wartet – die Beginner. Als die dann kommen, ist gefühlt jeder vor der Mainstage, um die alten Klassiker abzufeiern und um nochmals richtig den Popo zu schütteln. Da ist man schlichtweg verwundert, als man einen Blick rüber zum Hangar wirft und eine beträchtliche Menge bei Mogwai sieht. Aber ja, wir wissen ja, Festivals und Kontraste und so. Jeder Mensch ist ja nicht gleich. Dennoch geht es bei den Beginnern natürlich ab, da wird gestylt und gerappt und gewitzelt. Ja, das ist – augenzwinker – hammerhart und klar gibt es zum Abschied “Liebeslied”.
Man möchte nun eigentlich schreiben, dass es ein besseres Lied zum Abschluss als “Liebeslied” ja gar nicht gäbe, aber trotzdem kommt man nicht umhin, anzumerken, dass das Berlin-Festival zwar immer mit wirklich tollem Line-Up aufwartet, die eine oder andere Überraschung bietet, aber in puncto Atmosphäre eben doch noch nicht mithalten kann. Es verbessert sich stetig, die Öffnung der Hangar und die Wegnahme der Schleusen ist genau der richtige Weg, aber trotzdem umweht Tempelhof auch im dritten Jahr auf diesem Gelände eine kühle, zu hippe Brise. Der Funke springt selten auf alle über. Aber das kann ja auch Berlin noch lernen. Bis zum nächsten Mal.
Fotos von Tag 1; Fotograf Julia F.
Retro Stefson: Roxi K. & Julia F.
Buraka Som Sistema: Roxi K.
Retro Stefson
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Tune-Yards
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Aloe Blacc
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Beirut
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Boys Noize
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Buraka Som Sistema
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dEUS
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Casper
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Beginner
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Public Enemy
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