Kasabian waren ja noch nie als Minimalisten bekannt, da hat es wenig gewundert, dass sich Sänger Tom Meighan und Gitarrist Sergio Pizzorno schon im Vorfeld ganz sicher waren, mit VELOCIRAPTOR! ihr bisher bestes Album eingespielt zu haben. Dementsprechend schraubte man die Erwartungen an die Platte noch ein bisschen höher, aber ahnte seit Veröffentlichung von „Switchblade Smiles“ als Teaser, dass die beiden wohl nicht übertrieben haben. Auch von den weiteren zehn Tracks wird man nicht enttäuscht. Ganz im Gegenteil: VELOCIRAPTOR! lebt von starken Melodien und klingt vor allem sehr direkt. Damit fällt der Zugang weitaus leichter, als beim Vorgänger WEST RYDER PAUPER LUNATIC ASYLUM. Kasabian setzen zum einen auf große Mitsing-Hymnen wie „Days Are Forgotten“, das dank Hip Hop-Beat direkt im Gehörgang hängen bleibt, oder den Titeltrack „Velociraptor!“, der perfekt in jedes britische Fußballstadion passen würde. Auf der anderen Seite bietet die Band aber die nötige Raffinesse und Dynamik, um sich so vom Gängigen abzuheben. Bestes Beispiel ist das von Sergio Pizzorno gesungene, psychedelische „La Fee Verte“, das nicht nur wegen der Referenz in den Lyrics stark an die Beatles erinnert. Sgt. Pepper lässt grüßen. Lines wie „I see Lucy in the sky, telling me I’m high“ oder „I met Dalí in the street, he knocked me off my feet“ klingen vielleicht abgedreht und verdächtig nach Halluzinogenen, sind aber laut Songwriter Pizzorno nur das Ergebnis nächtelangen Schlafentzuges, den man als junger Vater erleidet. Weitere Belege für die Experimentierfreudigkeit der Band liefern orientalisch klingende Streicher auf „Acid Turkish Bath (Shelter From The Storm)“ oder die 80er Synthie-Nummer „I Hear Voices“. Es wird einfach nie langweilig mit Kasabian. Und als wollten sie dem Ausrufungszeichen im Albumtitel noch die endgültige Daseinsberechtigung verschaffen, warten sie mit einem der stärksten Songs „Switchblade Smiles“, auf dem das maschinengewehrsalvenartige Drumsolo einem wahrlich die Sprache verschlägt, fast bis zum Schluss. „Neon Noon“, ein ungewohnt berührender Track, klingt nach einem Mix aus Akustik und Elektro mit Streichern aus und beendet so den 50-minütigen musikalischen Rundumschlag.
Kasabian beherrschen nach wie vor die hohe Kunst, klassische Rockelemente aus den 60ern mit Elektro- oder gar Hip Hop-Samples zu kombinieren, ohne dabei selbst den größten Verfechter „handgemachter“ Rockmusik zu verschrecken. Vielleicht ist es genau das passende Rezept zur Rettung des Rock’n’Roll in einer Zeit, in der der Pop-Markt geradezu explodiert und nun auch noch Coldplay gemeinsame Sache mit Rihanna machen. Kasabian jedenfalls stellen sich dem mit breiter Brust entgegen. Und wenn die Rockmusik der Zukunft klingen soll wie Kasabian, gerne. Immer her damit.
VÖ: 16.09.2011; Smi Col (Sony Music)
Tracklist:
01. Let’s Roll Just Like We Used To 8/10
02. Days Are Forgotten 9/10
03. Goodbye Kiss 8/10
04. La Fee Verte 10/10
05. Velociraptor! 8/10
06. Acid Turkish Bath (Shelter From The Storm) 8/10
07. I Hear Voices 8/10
08. Re-Wired 8/10
09. Man Of Simple Pleasures 7/10
10. Switchblade Smiles 10/10
11. Neon Noon 8/10
Durchschnitt: 8,4/10
Gesamteindruck: 9/10
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