Björk.
Und endlich.
Ihr siebtes Studioalbum mit dem vielversprechenden und alles haltenden Titel BIOPHILIA zieht ein in die städtischen CD Regale, in Online Shops, auf iPhones und weiß der Geier wo überall noch. Überall, das wäre nur fair. Denn auch wenn oder gerade weil sich an Björk auch nach 20 Jahren Ausnahmekarriere in einer Ausnahmesparte dieses Business` immer noch die Geister scheiden, hat sie es doch wieder hinbekommen, ein Kunstwerk zu schaffen, das an niemandem spurlos vorübergehen wird. Ein Glanzstück für sich selbst; ein persönliches, eines für die Medien; für die Apprevolution und die Live Shows, und eines für die Spekulationen; das Zwischen-den-Zeilen-Lesen.
Mal wieder ist es anders als sonst und doch vergleichbar mit vorangegangen Werken. SELMA SONGS beispielsweise – gehalten wie ein Musical, ausgerichtet wie ein Schultheater. Selbstgebastelt und ohne großen finanziellen Aufwand (fühlt sich ein bisschen so an, ist aber natürlich nicht so).
Dieses besondere Musicalfeeling spiegelt sich gut im Beginn des Liedes „Hollow“ wieder, man verspürt hier eine regelrechte Nervosität, ungefähr so wie man als Kleinkind das erste Mal „Peter und der Wolf“ auf MC gehört hat und seine Fantasie daraufhin ungeahnte Seitenstraßen im eigenen Kopfkino erforschte. Ja, mit Björk ist es ähnlich und das war es auch schon immer. Man stellt keine großen Risse oder Veränderungen fest, wie immer ist sie sich treu geblieben und weil sie selbst sehr viele ist bedeutet das, wir haben eine wirklich immense Auswahl an Märchenwäldern mit Chören, Orgeln, Glitzerklingklang, elfenhaftem Gesang, Drum’n‘Bass Kobolden die mit illegalen Substanzen vollgepumpt sind und einer beinah göttlichen Harfenführung von Zeena Parkins, die auch bereits für all die göttlichen Harfenklänge auf VESPERTINE maßgeblich verantwortlich war.
Zuhause fühlt man sich in jedem Fall sofort, aber dieses Mal im Gegensatz zu allen anderen sechs Alben irgendwie angenommener, geerdeter, besser aufgehoben. Noch besser natürlich. Fräulein Guðmundsdóttir agiert nicht ganz so verwirrend, verzückend ja, aber weniger links und rechts, oben und unten. Vielleicht liegt der Hund hier im Lyrischen begraben, so sind die Texte weniger aufgelehnt und verschwörerischer, sondern mehr naturverbunden, heilender, selbstverstehender. Obgleich ein großer Konzeptpunkt von BIOPHILIA doch die Technologie und alles was sie mit sich zieht und bringt ist.
Nach mehrmaligem Hören mag man sich nun fragen, ob sie angekommen ist, die Gute. In ihrer Entwicklung als überirdisches Wesen sicher nicht, da braucht man als Außenstehender nicht lang zu überlegen, aber vielleicht ist sie angekommen in ihrer Laufbahn als projizierende Werwolfzauberfee, die damals, vor langer langer Zeit in einen Topf aus Noten, nicht existenten Instrumenten und künstlerischer Befreiung gefallen ist. Vielleicht. Vielleicht ist das tatsächlich die letzte Björk CD, die uns aus diesem isländischen Paralleluniversum erreichen wird, weil sie als siebte so bedeutend wäre und fast noch viel mehr, weil es die beste letzte Veröffentlichung wäre, von der man nicht wüsste, dass es die Letzte ist. Weil sie ein Querschnitt aller björkschen Projekte und Selbstverwirklichungen ist. Weil wir leiden würden. Und uns freuen. Weil wir wissen, dass wir hier Teil von etwas ganz Großem sein dürfen. Björk.
VÖ: 07.10.2011; Universal
Tracklist:
01. Moon 10/10
02. Thunderbolt 8/10
03. Crystalline 8/10
04. Cosmogony 10/10
05. Dark Matter 7/10
06. Hollow 8/10
07. Virus 9/10
08. Sacrifice 9/10
09. Mutal Core 10/10
10. Solstice 8/10
Durchschnitt: 8,5/10
Gesamteindruck: 9/10
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