Egotronic ist eine der verkanntesten, meist beliebtesten, alternativsten, vom Aussterben hoffentlich noch ewig nicht bedrohten Gruppierungen unserer Nation, die so konstant und konsequent ihr Ding durchziehen, dass man sie einfach nur lieben oder hassen kann.
Das Berliner Trio um Torsun, Endi und Tilman besteht seit zehn Jahren und bringt dieser Tage ihr fünftes Studioalbum MACHT KEINEN LÄRM auf den Markt. Alle zwei Jahre, so könnte man meinen, veröffentlicht die Drei neues Material – ein guter Schnitt, wenn man bedenkt, dass sie nebenbei schon fast obsessiv touren, verschiedene soziogesellschaftliche Projekte auf dem Schirm haben (I Can’t Relax In Deutschland) und Torsun zusammen mit Daniel Kulla sogar mal nebenbei in diesem Spätherbst ein Buch heraus gebracht hat mit dem vielsagenden Titel “Raven Wegen Deutschland“, natürlich in Anlehnung an den einstigen Song “Raven Gegen Deutschland“.
Seit gut sechs Jahren sind sie unter Vertrag beim großartigen Audiolith-Label, bei dem sie mittlerweile mit anderen Künstlern wie Frittenbude, ClickClickDecker und Bratze als Aushängeschild für den deutschgesprochenen Elektropunk dienen dürfen.
MACHT KEINEN LÄRM ist gewohnt kritisch (“Tolerante Nazis“) und zum Nachdenken anregend (“Den Kampf Verloren“) in seinen Texten, jedoch eingängiger als sonst in seinen Melodien (“Planet Disco“), was im Klartext aber nur bedeutet, dass man beim nächsten Konzert noch mehr ins Feiern verfallen wird. Wenn man es genau betrachtet, hat fast jeder Track (vor allem “Rannte Der Sonne Hinterher“ und “Dich Glücklich Sehn“) absolute Ohrwurmsuchtqualitäten.
Augenscheinlich lyrische Einfachheit, die beim dritten Hören in absoluter Doppeldeutigkeit endet und mit Hilfe etlicher Synthiesoundstrukturen gegen den Hinterkopf klopft und fordernd fragt, ob nicht genau das es ist, wonach man so lang ziellos umher gerannt ist und gesucht hat. Ja, das ist es.
Wer seine Pantoffeln nicht schon längst im Hamburger Hause Audiolith zu stehen hat, der sollte spätestens mit MACHT KEINEN LÄRM über die Schwelle treten und hereinkommen. Zu dieser Veröffentlichung gibt es neben acht neuen Songs übrigens noch sechs auditive Leckerlies in Form von Kommentaren befreundeter und enger Menschen um Egotronic, quasi vom Booker bis zur Vorband und als preislich gerechtfertigte Zugabe eine 60 minütige DVD, auf der die Band dann zu Wort kommt und viele Livemitschnitte aus den verschiedensten Jahren enthalten sind.
Auch mit dem fünften Album ist das Phänomen Egotronic also immer noch sagenumwoben, schwer zu definieren und noch schwerer einzuordnen. Man befindet sich auf der Seite grandioser Genialität. Alles andere erklärt Kulla zur Bandgeschichte so:
„Der Reichtum Egotronics erscheint als eine ungeheure Drogenansammlung. Dieser Rausch kommt von Kopf bis Zeh, aus allen Poren blut- und schmutztriefend zur Welt. Aus dem Extremistensumpf der militanten Autonomen und einem Pfuhl voll diverser psychedelischer und popkultureller Einflüsse hervorgegangen, gab es Egotronic vor den denkwürdigen Ereignissen in diesem Buch schon sechs Jahre und seither schon wieder noch mal vier.” (Quelle: Raven Wegen Deutschland)
VÖ: 28.10.2011, Audiolith / Brosi
Tracklist
01. Rannte Der Sonne Hinterher 8,5/10
02. Der Mischer Erzählt 6/10
03. Aufstehn 6,5/10
04. Der Booker Erzählt 9/10
05. Manchmal 7,5/10
06. Die Fahrerin Erzählt 9/10
07. Die Bismarck 8,5/10
08. Der Techniker Erzählt 6,5/10
09. Planet Disco 9/10
10. Den Kampf Verlorn 7,5/10
11. Dich Glücklich Sehn 7,5/10
12. Die Vorband Erzählt 5/10
13. Tolerante Nazis 8/10
14. Der Labelchef Erzählt 9/10
Durchschnitt: 7,6/10
Gesamteindruck: 8,5/10
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