Schon am Bahnhof sieht man flehentlich schauende Mädchen mit “Suche Karten”-Schilder. So geheim sind The Dø dann also doch nicht mehr, denn der Postbahnhof fasst um die 1000 Leute und ist an diesem Abend ausverkauft. Dennoch hat man vor der Bühne schön Platz zum tanzen und muss nicht mit seinem Nachbarn, gewollt oder nicht, kuscheln. Doch bevor die Party steigt, wird es erstmal dunkel. Vienna betreten die Bühne. Kein Licht, zwei schwarze Gestalten, Junge und Mädchen, und im Hintergrund ein die Musik untermalender Film. Das ist schon mehr Kunstprojekt als nur Livemusik und wirkt als Ganzes faszinierend. Die ruhige, puristische, eindringliche Elektro-Musik nimmt einen mit auf eine Kopfkinoreise.
Einen ganz anderen Ansatz verfolgen an diesem Abend die Franzosen von The Dø. Als sie auf die Bühne springen, brandet Jubel auf. Dan Levy hat sich eine Taschenlampe an seine Gitarre geschnallt und leuchtet so den Weg für seine Partnerin Olivia Merilahti. Mit ihrem knallroten Tütü und den verrückten Strumpfhosen sieht Merilahti aus wie eine Mischung aus Pippi Langstrumpf und Björk. Wild hat sie ihre Mähne toupiert und hüpft erstmal über die Bühne zu ihrem Mikro und steigt in “Gonna Be Sick” ein. Zunächst ist man von so viel Spielfreude ganz erschlagen. Überall passiert etwas auf der Bühne. Für das grandiose “Slippery Slope” legt Dan Levy am Saxofon eine fast freejazzige Einlage hin, dann steht er wieder an der Gitarre oder am Synthie, Olivia tanzt, spielt Gitarre oder bedient Percussions. Die Buntheit der Musik von The Dø vermitteln sie auch gekonnt live. “We are not crazy, we are not afraid of you adults” schreien die beiden zusammen mit ihrer Band heraus in “Playground Hustle”. Das ist keine Drohung, sondern nur eine Feststellung.
Dieser Cocktail aus Verrücktheiten und Können macht Spaß. Ausgelassen wird getanzt, zufrieden gelächelt – willkommen im Wunderland. Groß gefeiert werden “Too Insistent” und “On My Shoulders”. Diese Songs beweisen, wie schön Pop sein kann. Nach “Aha”, bei dem Olivia die Menge nochmals so richtig zum Singen und Springen animiert ist Schluss. Vorerst. Denn danach folgt in der Zugabe der wohl schönste Moment des Abends, Wunderbar gefühlvoll erklingt das traurigschöne “At Last” und hüllt den Zuhörer in eine warme Sounddecke. Die nimmt man dann selig mit nach Haus und träumt weiter vom Musikwunderland. Mit einem kurzen mitleidsvollen Gedanken erinnert man sich beim Rausgehen an die flehenden Mädchen und hofft für sie, dass sie noch eine Karte abbekommen haben.
Bilder vom Konzert; Fotograf: Julia F.
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