Musik und die dazugehörigen imaginären Tätigkeiten bzw. Lebenswelten – ein interessantes Thema. Hört man Fleet Foxes, so rennt man meist nackt durch den Wald oder sitzt am Lagerfeuer. Dido bittet zum Beischlaf, Devils Blood fordern ein Ziegenopfer, The Velvet Underground laden zu Sex und Drogen und DJ Bobo zum Hausputz. Doch welche Lebenswelt, welche Tätigkeit befeuern Lambchop anno 2012? Am ehesten dürfte man sie zur entspannten Rotweinverköstigung auf der Couch genießen, wobei man immer wieder in Verzückung gerät und einem wohlige Schauer über den Rücken laufen, sobald die Streicher die Führung übernehmen.
Die beschwingten Tage von AW, C’MON, NO YOU C’MON sind spätestens seit OH (OHIO), dessen Langsamkeit schon zu viel des Guten war, endgültig gezählt. Der Soundkosmos von MR. M orientiert sich am großartigen DAMAGED, jenem Album, das Kurt Wagner nach schwerer Krankheit aufnahm. Das Leben Wagners verlief in den letzten Jahren ohnehin nicht gut und so wollte er nach dem Tod des Songwriters Vic Chesnutt die Musik gar ganz aufgeben, sich nur noch der Malerei widmen. Bereits vor dem Tod des Freundes wurde seine Musik immer depressiver. Lediglich das Sideprojekt KORT, jene Gemeinschaftsproduktion mit Cortney Tidwell, ließ die einstige Lebensfreude des Songwriters (natürlich relativ zur ohnehin eher gequälten Seele gesehen) noch einmal kurz aufschimmern. Doch auch hier war die Melancholie allgegenwärtig, handelte es sich bei den Coverversionen doch um Stücke gescheiterter Künstler.
MR. M trägt die ganze Schwere des Lebens in sich, es fehlen weder die dunklen Seiten noch die verführerischen, wie das wunderbare Instrumental „Betty’s Overture“ beweist. Ein Sound zwischen Country, Soul und Folk, schleppend, traurig und doch weit entfernt von alles bestimmender Depression. Titel wie „If Not I’ll Just Die“, „The Good Life (is wasted)“ oder „Gone Tomorrow“ sprechen da Bände. Ein tolles Album, überwiegend in Moll gehalten, wagnertypisch gesungen und Gänsehaut erzeugend, eine tragische Lebenswelt, die schwer in Worte zu fassen ist. Hier spricht ganz die Musik. Lambchop haben vielleicht ihren Sound geändert, nicht aber die Qualität, die ihnen schon immer zu Grunde lag.
VÖ: 24.02.2012; City Slang/Universal
Tracklist:
01. If Not I’ll Just Die 8/10
02. 2B2 8/10
03. Gone Tomorrow 7/10
04. Mr. Met 9/10
05. Gar 8/10
06. Nice Without Mercy 6/10
07. Buttons 7,5/10
08. The Good Life (is wasted) 9/10
09. Kind Of 7/10
10. Betty’s Overture 10/10
11. Never My Love 9/10
Durchschnitt: 8,1/10
Gesamteindruck: 8/10
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