Waren Dry The River im letzten Jahr nur Insidern und Bloggern bekannt, so liegt dem britischen Quintett mittlerweile die Indiewelt zu Füßen. SHALLOW BED, das Debütalbum der Folkband, erschien Anfang März und erhielt hinreißende Kritiken – auch von uns. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass der Magnet Club in Berlin-Kreuzberg zum Abschluss ihrer ersten Europa-Headlinertour proppevoll mit vorfreudigen Indiekids ist.
Diese bekommen zur Einstimmung erst einmal Dan Freeman geboten. Eigentlich kommt dieser aus Tasmanien und eigentlich ist er Jazzmusiker. Doch Freeman kann auch anders: In Deutschland hat er sich seine Backingband „The Serious“ (Gitarre, Bass, Schlagzeug) zusammen gesammelt, und mit ihr bringt er an diesem Abend sphärischen Singer/Songwriter-Rock auf die Bühne. Sein Saxophon hat der Australier zu Hause gelassen, stattdessen bedient er im Magnet Club ein Keyboard sowie eine Cowbell – und intoniert die Stücke seines im vergangenen Jahr erschienenen Albums I LIE A LOT wie der junge Thom Yorke. Zwangsläufig klingen die Lieder dann auch wie reduzierte Versionen von frühen Radiohead-Werken. Insgesamt sicherlich keine Musik zum Nebenbeihören, aber das Publikum ist erstaunlicherweise ganz Ohr und weiß den halbstündigen Auftritt Freemans daher durchaus zu würdigen.
Nach einer schier endlos wirkenden Umbaupause geht um Punkt 22.00 Uhr endlich das Licht aus und die Nebelmaschine an. Im Hintergrund werden über die Musikanlage ein paar choräle Gesänge eingespielt, die wenig später in Michael Jacksons „Will You Be There?“ übergehen. Michael Jackson auf einem Indiekonzert – geht das? Heute im Magnet Club geht alles, und mehrere Zuschauer ertappen sich dabei, wie sie bei dem Gospelpop-Song am liebsten mitklatschen und -singen wollen. Was aufgeregte Vorfreude so alles auslösen kann…
Nach drei Minuten Michael Jackson entern Dry The River dann unter tosendem Beifall die Bühne und beginnen auch gleich mit ihrer Single „No Rest“. Von den ersten Takten an wird klar, dass die glasklare Stimme des barfuß auftretenden Sängers Peter Liddle auch live zu überzeugen weiß – wie sowieso die gesamte Band. Drummer Jon Warren merkt man seine schwere Erkältung glücklicherweise zu keinem Zeitpunkt an. Gitarrist Matt Taylor und Bassist Scott Miller streuen immer wieder scheinbare Improvisationen ein und entpuppen sich als wahre Stagesäue – doch kehren sie stets rechtzeitig zu ihren Mikrofonen zurück, um zusammen mit Liddle diese Vokalharmonien zu erzeugen, die die Musik von Dry The River so unbeschreiblich machen.
Die Band spielt in der Folgezeit mit den Extremen: Die leisen Momente der Platte werden noch bedächtiger gespielt, bei den lauten hingegen wird noch mehr Bombast aufgetragen, ohne aber Richtung Kitsch zu entgleiten. Nach dem ruhigen „Shaker Hymns“ zur Mitte des leider nur rund 60-minütigen Sets drehen Dry The River in „Demons“ so richtig auf, ehe die erste Strophe des folgenden „Weights & Measures“ von Liddle komplett unplugged dargeboten wird. „Bible Belt“ erhält schließlich ein bombastisches, zweiminütiges Intro, das jede Postrock-Combo vor Neid erblassen ließe, bevor dann doch wieder fortepiano in den folkloristischen Schunkelmodus gewechselt wird. Das Publikum klatscht, johlt und kreischt, als das Quintett erstmals die Bühne verlässt. Alle im Raum wissen, dass noch dieses eine Lied fehlt: „Lion’s Den“, das siebenminütige Herzstück auf SHALLOW BED und perfekter Schlusspunkt des Konzerts. Und tatsächlich: Noch einmal bieten Dry The River innerhalb dieses eines Stücks alles auf, was diese Band ausmacht – und selbst Violinist Will Harvey, der sich zuvor brav im Schatten Taylors versteckte, hält es zum Grande Finale nicht mehr im Hintergrund.
Am Ende bleibt völlige Ekstase – sowohl bei den Zuschauern als auch bei der sichtlich berührten Band. Aus den Lautsprechern ertönt wieder Michael Jackson. Will You Be There, wenn Dry The River wieder nach Berlin kommen? Wohl jeder im Magnet Club würde diese Frage freudestrahlend bejahen.
Fotos vom Konzert, Fotograf: Sascha K.
Dry The River
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