Die Parallelen sind verblüffend: Ein einziger Song katapultiert einen bisher kaum bekannten Rapper in Sphären, von denen seine Kollegen nur träumen können. Dazu zieht besagter Rapper sich eine Maske auf, lässt die Öffentlichkeit im Unklaren über seine wahre Gestalt und bewahrt sich so die Aura des Geheimnisvollen. So geheimnisvoll, dass diese Person als neue Deutschrap-Hoffnung gilt und sowohl Fans als auch Medienwelt schier verrückt nach ihm macht.
Während es sich bei Szenario 1 um einen gewissen Sido aus Berlin handelt, verantwortlich für den Straßenrap-Boom 2003 und mittlerweile fester Teil der deutschen Popkultur, spielt in Szenario 2 ein junger Mann mit Pandamaske und dem kurzen, aber markanten Namen Cro die Hauptrolle. Jener Cro, der seit einer kostenlosen Internet-EP und vor allem seinem Song „Easy“ vom Feuilleton als neue Deutschrap-Hoffnung und Teil einer „Neuen Reimgeneration“ gefeiert wird.
Und nun mit seinem ersten richtigen Longplayer namens RAOP, was nach dem Hype der letzten Monate auch nicht mehr als folgerichtig ist. Jener Cro, dessen Tonlage und Rapstil immer wieder an einen Eko Fresh erinnern und der seine Platte mit einer Hommage an sein großes Jugendidol Kool Savas beginnt. Der Albumtitel RAOP steht schließlich nur auf der einen Seite für eine Mischung aus „Rap“ und „Pop“, wie die Presseinfo weismachen will – vielmehr ist sie die lautschriftliche Wiedergabe der besonderen Artikulation Savas‘ des Wortes „Rap“ in der Frühphase seiner Karriere.
Cro wiederum hat wenig Anlass für vergleichbare Themen, ist er doch in einem behüteten Stuttgarter Vorort aufgewachsen. Ein Grund, auf Sicherheit zu setzen: Nahezu ohne Ecken und Kanten rappt und singt er sich halbherzig durch 13 Songs, bloß nicht zuviel Inhalt oder unbequeme Themen für die konsumfreudige Radio- und Internetjugend. Dazu gefällige, aber selten wirklich spannende Beats, die allerdings so gestrickt sind, dass sie auf den großen Festivalbühnen mit der obligatorischen Band gespielt werden können. Nicht, dass RAOP nicht durchaus ein „nettes“ Album wäre – aber es ist doch eine Enttäuschung für diejenigen, die in dem Rapper tatsächlich einen neuen Heilsbringer für die in Mainstreamkreisen darbende deutsche Sprechgesangsszene sehen. Irgendwie passend, dass da auch gleich der Iggy-Pop-Klassiker „The Passenger“ auf „Wir waren hier“ verarbeitet wurde. Lieber veröffentlicht Cro drei Singles gleichzeitig, tanzt den Lena-Meyer-Landrut und erfreut sich seines Mainstreamerfolges, der wohl mehr dem Hype um eine Person mit Maske geschuldet ist als nachgewiesenem künstlerischem Talent. Auch eine Methode.
Ohr d’oeuvre: Easy / Einmal um die Welt
VÖ: 06.07.2012; Chimperator / Groove Attack
Tracklist:
01. Intro
02. King Of Raop
03. Easy
04. Geile Welt
05. Du
06. Wie Ich Bin
07. Meine Zeit
08. Nie Mehr
09. Jeder Tag
10. Genau So
11. Einmal Um Die Welt
12. Wir Waren Hier
13. Ein Teil
Gesamteindruck: 5,5/10
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