Wer auf den Charme kleiner Festivals steht, es diesen Sommer nicht so dicke auf der hohen Kante gehabt hat, oder einfach mal gepflegt ‚abspacken‘ wollte, der kam am heißesten Wochenende des Jahres zum Spack! Festival in den Westerwald. Das so kleine wie sympathische Event fand dieses Jahr schon zum neunten Mal statt, bereits das vierte Mal davon im etwa eine halbe Autostunde von Koblenz entfernten Festivalpark des beschaulichen Wirges. Dass es sich in den letzten Jahren zu Recht vom Umsonst-und-draußen-Event zu einem echten Insidertipp unter den Open Air-Festivals entwickelt hat, haben die starke Organisationsleistung der Festivalleitung sowie die fast schon familiäre Atmosphäre und nicht zuletzt die fantastischen Shows der weit über 30 nationalen wie internationalen Acts eindeutig bewiesen.
Und so wird Tag 1 auf der Mainstage – passend zu Temperaturen und Wetter – von der jungen Bonner Funk/Rock-Formation Smashbrothers eingeleitet. Das allmählich heranströmende, insgesamt auffällig junge Publikum bringt eine unglaublich gute Stimmung mit. Die ersten Bierchen und Bratwürste gehen zu funky Grooves, versehen mit einer ordentlichen Ladung Rock, über den Tresen. Und rund herum sind glückliche Gesichter auszumachen. Die verschwinden auch nicht bei Palmchat aus Saarbrücken, bei denen es mit feinstem Pop-Punk weitergeht. Man fühlt sich an zahlreiche entsprechende Bands aus den späten 90ern und frühen 2000ern erinnert und kann die Sonnenstrahlen des nun doch endlich eingekehrten Sommers mit der perfekten musikalischen Untermalung aufsaugen. Beim Hamburger Rapper Alan Julian Asare alias Ahzumjot kommen dann auch erstmals die Hip-Hop-Fans auf ihre Kosten. Viele lauschen konzentriert den oft nachdenklichen und melancholischen Lyrics des Hanseaten, andere bewegen sich zu den Beats, so viel sie bei der großen Hitze nur können. Rockstah erweitert das Hip-Hop-Programm schließlich noch etwas. Im Gegensatz zu Ahzumjot fällt der Sohn des bekannten Badesalz-Komikers Henni Nachtsheim musikalisch allerdings eher mit der Nähe zum Aggro-Hip-Hop à la Sido oder Bushido auf.
Den einen gefällt’s, die anderen wandern zur klitzekleinen Circle Vibes-Bühne, die direkt hinter der Mainstage liegt und gönnen sich das dort stattfindende musikalische Alternativprogramm mit weitestgehend lokalen Bands von Pop-Punk bis hin zu gediegener Singer/Songwriter-Mucke. Hier ist alles offen zugänglich und so klein, dass fast jeder gewissermaßen in der ersten Reihe steht und die jungen Künstler aus nächster Nähe erleben kann. Da beim Spack! alles so nah beieinander liegt, sind die Wege von A nach B im Gegensatz zu großen Festivals zwar nie weit, doch geht das eher ruhige Nebenprogramm hier im Schatten der Mainstage, und vor allem: in deren Schallwellen, soundtechnisch leider etwas unter – vielleicht der einzige, kleine Wehmutstropfen beim ansonsten phänomenalen Spack! Festival. Doch weder hier, noch an der wiederum nur einige Meter entfernten, hinter einem kleinen Hügel gelegenen bigFM Tronic Love Stage lässt sich das so entspannte wie begeisterte Publikum davon stören. Und so geht es auch an dieser dritten „Bühne“ – eigentlich nur Turntables und weiteres DJ-Equipment unter einem kleinen Pavillon bei der Sporthalle – richtig ab. Ein DJ nach dem anderen legt hier krachende Beats auf, zu denen die Electronic-Begeisterten auf dem eigens dafür hergerichteten, bunt beleuchteten Dancefloor bis in die laue Sommernacht hinein abspack!en.
Zurück auf der Mainstage, geht es am frühen Abend mit einem weiteren Act aus Saarbrücken zum ersten Mal so richtig zur Sache. Wer bis dahin bei all der Sommerhitze noch trocken geblieben ist, dem zaubern am frühen Abend His Statue Falls mit ihren Hardcore- und Screamo-Krachern die ersten Schweißperlen auf die Stirn und die ersten Krämpfe in die Waden. Für später wird schon einmal der Pogo eingeübt und das Gelände wird immer voller.
Das ist auch gut so, denn gegen 20.15 Uhr ist es dann endlich soweit: Die erste internationale Band für dieses Jahr betritt die Bretter der Mainstage. Und wer bei den ersten Klängen sofort an Anti-Flag, die Headliner des ersten Abends denkt, der liegt gar nicht so falsch. Denn A Wilhelm Scream klingen mit ihrem rauhen „Melodic Hardcore Punk“, wie sie es nennen, tatsächlich ähnlich. Die fünf US-Amerikaner aus Massachusetts legen sofort kräftig los, beziehen das Publikum mit ein, haben es schnell auf ihrer Seite und feiern den Tag und das Festival auf die etwas härtere Tour. Als das Publikum zusehends weiblicher und noch jünger wird, ist schnell klar, wer als nächstes kommt:
Nach kurzer Umbaupause hat Chartstürmer Cro seinen großen Auftritt. Es ist unglaublich eng geworden auf dem Festivalgelände. Man kann förmlich über Köpfe gehen. Der Newcomer mit der Pandamaske ist gut drauf, lässt es sich nicht nehmen, einige lockere Sprüche zu klopfen und interagiert kontinuierlich mit seinen Fans. Schließlich tönt es nicht nur bei Hits wie „Easy“, „Du“ und „Einmal um die Welt“, sondern bei jedem einzelnen Song gleichermaßen aus tausenden vorwiegend weiblichen Kehlen. Ein starker Auftritt bei immer noch sehr warmen Temperaturen und bestem Wetter – ein echtes Erlebnis. Und seine sommerlich-gechillte Mischung aus Rap und Pop, die er – wie auch sein Album – „Raop“ nennt, kommt nicht nur bei den Fans des jungen Stuttgarter Rappers gut an.
Während der folgenden Umbauphase verändert sich die Publikumszusammensetzung wieder stark: der Altersschnitt steigt deutlich an, ein alternativeres Publikum sucht den Weg zur Bühne. Gegen 23.00 Uhr heißt es dann zum krönenden Abschluss des ersten Festivaltages noch einmal: Schluss mit entspannten Sommersounds! Jetzt gibt’s richtig was auf die Ohren! Denn die Polit-Punk-Ikonen von Anti-Flag aus Pittsburgh, Pennsylvania entern die Bühne, stellen sich kurz vor und legen – wie gewohnt – los wie die Feuerwehr. Und wenn die Luft bis dato nicht gebrannt hat, so tut sie es jetzt. Man merkt sofort, dass die so vehementen, wie sympathischen Jungs um Frontmann Justin Sane auch hierzulande seit Jahren sehr beliebt sind und eine große sowie treue Fanschar haben, welche sie auch für das Spack! Festival wieder mobilisieren konnten. Bei Hits wie „Turncoat“, „This Is The End“ oder „Power To The Peaceful“ geben Band wie Zuschauer alles und eifern dabei förmlich um die Wette. Und wem das alles noch nicht genug ist, der bekommt zum Schluss mit „Should I Stay or Should I Go?“ noch ein famos vorgetragenes The Clash-Cover obendrauf.
Mit einem regelrechten musikalischen Feuerwerk geht der erste Tag des neunten Spack! Festivals also zu Ende. Man schaut in glückliche Gesichter zu allen Seiten. Alle sind scheinbar begeistert, Hip-Hop-Fans genauso wie die, die wegen des Rock in den Westerwald gekommen sind. So langsam verschwinden die Leute in Richtung Zeltplatz, um sich nach diesem sensationellen Tag entweder für den nächsten auszuruhen, der ebenso spektakulär zu werden verspricht, oder eben die ganze Nacht durchzufeiern. Und die allgemeine Vorfreude auf Acts wie Kraftklub, Yellowcard und K.I.Z. liegt förmlich greifbar in der Luft.
Eindrücke von Tag 1 des Spack! Festivals
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Fotografin: Jennifer Wallburger