Es ist wieder hell geworden auf dem Gelände des Kunst- und Musikfestivals, wo nun auch die zahlreichen Installationen, die gerade in der Nacht in ihrer vollen Pracht zu bestaunen sind, etwas abgeschwächter wirken. Die Vögel zwitschern ihr Lied und die Sonne bahnt sich wie die Tage zuvor ihren Weg hinauf. Der dritte Tag des Dockville-Festivals verspricht sehr interessant und abwechslungsreich zu werden. Schließlich wartet erneut ein sehr umfangreiches Line-Up. Den Anfang macht an diesem Tag ungewohnter Weise kein Act auf der Hauptbühne, sondern Robert Etzhold bringt in seiner Funktion als DJ bereits um Punkt 12 seine Turntables in Wallung. Die großen Besucherscharen lassen zu diesem Zeitpunkt noch auf sich warten.
Erst gegen frühen Nachmittag füllt sich das Ville de Docks, sodass Micachu and The Shapes wesentlich mehr interessierte Besucher empfangen. Die drei Engländer sind es, die an diesem Tag für leichte Verwirrung sorgen. Zunächst einmal ist man sich nicht sicher, ob die tiefe und raue leicht kratzige Stimme einer jungen Frau zuzuordnen ist. Nach optischen Gesichtspunkten zu urteilen, sieht Mica Levi aus wie ein kleiner 16-jähriger Junge. Aber völlig falsch gedacht: Er ist eine Sie und bereits 24 Jahre alt. Merkwürdig ist auch, dass sie nicht nur nervös und schüchtern drein blickt, sondern ihr Blick auch ständig von den Zuhörern abgewandt ist. Zusammen mit zwei weiteren Bandmitgliedern am Keyboard und am Schlagzeug wirken die drei eher wie eine Schulband, da alle etwas aufgeregt sind; es fehlt Ihnen etwas an Lässigkeit. Ihr Sound klingt etwas shabby, was aber daran liegen könnte, dass ihre kantigen und ruppigen Songs wie zerstückelte Kompositionsfetzen anmuten. Abrupt endende Songs und massig Irritationen in Text und Ton. Ihr Auftritt ist nicht schlecht, aber irgendwie auch nicht viel mehr. Man weiß nicht wirklich, wo man die drei Bastler einordnen soll.
Me and My Drummer fahren im Gegensatz zu Letzten eine klarere Linie. Ihre Musik ist eine Herzensangelegenheit, die erst durch ihre ausgefeilte Kompositionen auf Ihrem Debütalbum so richtig heranreifen konnte. Charlotte Brandis feinfühliger und herausragender Gesang ist es schließlich, der die Grundlage für ihren großen Wiedererkennungswert bildet. Obendrein steht sie auf der Bühne und ist während ihres gesamten Auftritts authentisch und absolut sympathisch. Das eingespielte Duo aus Berlin gehört zu denjenigen, die nicht unantastbar sind, sondern den engen Kontakt zum Publikum suchen. Während sich beide mit ehrlichen Worten bei den Besuchern bedanken, spielen ein wenig weiter entfernt schon die Lokalpatrioten In Golden Tears. Die fünf Hanseaten stehen an diesem Tag zwar seltsamerweise mit einem sechsten Mann auf der Bühne, aber ansonsten zeigen sich die Newcomer mit einer ganz ordentlichen Performance, dass sie mit ihrer Indie-Rock Musik made in Germany und auf Englisch einen ebenbürtigen Teil des Line-Ups ausmachen. Die einzige veröffentliche Single “Underneath The Balance“ wird von den versammelten Zuhörern erkannt, da die Resonanz bei diesen Song dann doch ein klein wenig lauter ausfällt. Auch scheint es so, dass ein eigener Fanblock mit zum Dockville als Support angereist ist. Ob beauftragt oder nicht, wer weiß das schon so genau. Immerhin gibt es die Band erst seit dem letzten Jahr. Doch bauen die fünf Jungs ihren Bekanntheitsgrad stetig aus. Genau richtig so.
Als absoluter Geheimtipp gilt an diesem Tag auch Team Me. Die norwegische Musikschmiede hat erneut zugeschlagen und einen absolut besonderen Top-Act hervorgebracht. In Norwegen werden diese schon hoch gehandelt und auch hierzulande dürfte die Truppe vielleicht nach “Dear Sister“ oder “Show Me“ ein Begriff sein. Die Stimmung auf der Bühne überträgt sich schnell auch auf das Publikum und ist so betrachtet ein Abbild ihrer hitverdächtigen Indiepop/-rock-Klänge. Hoch gehandelt ist das Sechser-Gespann, das mit ihrem Temperament die Fans sofort auf ihre Seite zieht. Ebenfalls heiß und hungrig erwartet werden Die Vögel. Die zwei Hamburger tanzen auf sehr vielen Hochzeiten, was bedeutet, dass beide neben Kunstprojekten auch zahlreiche Musikprojekte verwirklicht haben. Nun auch Ihr ganz eigenes Baby, das über DJ Kozes eigens gegründetes Techno-Label Pampa Records läuft. Die zwei Paradies-Vögel sind musikalisch, als auch optisch, ein Hingucker. Mit schwarzem Hemd und Hut werten beide ihre elektronischen Beats mit Trompeten- und Posaunenfanfaren aus. Ein durchaus interessanter und kreativer Ansatz, der ihren Sound erst so unverkennbar macht. Ein bisschen was von Balkan-Beats und Berliner Szene-Techno. Getanzt wird an diesem Tag also nicht zu knapp. Für einen Sonntag, wie er wettertechnisch im Buche steht, gar nicht mal so schlecht. Tocotronic gebührt an diesem Tag die Ehre das Festival als letzter Act des Tages zu beenden, so gesehen das Sahnehäubchen obendrauf. Wo auch immer sie spielen, warten Tausende Fans einzig und allein nur auf ihren Auftritt. Sie sind die deutschen Indie-Rocker junger Tage, die einen Meilenstein in der deutschen Musikgeschichte legen. Seit fast zwanzig Jahren sind die Urgesteine bei Großveranstaltungen nicht mehr wegzudenken und zählen meist schon zum Stamminventar. Mit ordentlich Wumms legen die Mannen um Frontmann Dirk von Lowtzow los. Dabei schöpfen die Hamburger ihre Songs aus mittlerweile neun Studioalben und bieten so abschließend noch einmal jede Menge Mitsingpotential.
Ein ereignisreiches Wochenende geht zu Ende. Trotz kleinerer Mängel wie der unübersichtlichen Beschilderung und der Tatsache, dass das Gelände bei dem Besucherstrom in diesem Jahr vielleicht ein wenig größer hätte ausfallen müssen, kann man sagen, dass sich das Dockville als Festival in unserem Land etabliert hat und durchaus mithalten kann. Wenn es nicht sogar ein klein wenig heraussticht, denn wer kann sonst schon die Themen Sommer, Kunst und Musik so gelungen kombinieren und inszenieren. Weiter so.
Einige Impressionen von dem Festival Tag 3:
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