Denkt man an isländische Musik, so kommen einem wohl zuerst Künstler wie Björk oder Sigur Rós und dem – mittlerweile nun wirklich überholten – Klischee der Korrespondenz zwischen Musik und Natur in den Sinn. Ganz anders sind da aber Retro Stefson, die man wohl ruhigen Gewissens als DIE Hipster der isländischen Musikszene betiteln könnte, hebt sich doch die 2006 als Schülerband gegründete Kombo durch ihre Andersartigkeit klar von ihren Landsmännern ab. Die spiegelt sich natürlich auch in ihrem Musikstil wider, in dem Afrobeats mit Rock-Elementen gemischt und mit HipHop Einflüssen versehen werden, um dem Ganzen dann ein poppiges Finish zu verleihen.
Dieser Mischung haben sie es zu verdanken, dass ihnen mit ihrem zweiten Album KIMBABWE 2010 auch der internationale Durchbruch gelang. Was man nun auf dem selbstbetitelten Nachfolgewerk zu hören bekommt, das in Island bereits vergangenen Herbst veröffentlicht wurde, klingt zwar anders als KIMBABWE, bleibt der Andersartigkeit aber ganz klar treu. Auch wenn RETRO STEFSON elektronischer daherkommen, hat die Band ihrer Vergangenheit und damit Island nur physisch den Rücken zugedreht und vielleicht ist der neue Stil ja ihrer Wahlheimat Berlin zu verdanken. Findet man hier in Tracks wie „Qween“ oder „Time“ eine Anlehnung an die 80s, überrascht einen dort ein HipHop-Breakbeat und über die ganze Platte begleiten einen diese wundervollen Crescendos, die aus waberndem Hintergrund ganz unbemerkt den treibenden Sound von Retro Stefson entstehen und den Zuhörer nur schwer still sitzen lassen. Natürlich steht all dies in keinem Verhältnis zu den Live-Qualitäten der Band, stellen sie doch nicht nur auf ihren Konzerten, sondern auch auf sämtlichen Festivals die Meute auf den Kopf und lassen die Show zu einer riesigen Party ausarten. Und doch erahnt ma diese Partystimmung, hört man sich das Album an und lässt sich vom sphärischen Opener „Solaris“, der einen an Nightmares on Wax zurückdenken lässt, in die Retro Stefson Welt einführen. Was so langsam und beinahe unscheinbar beginnt, offenbart sich gleich darauf mit den beiden Singleauskupplungen „Glow“ und „Qween“ mit seinem wahren, elektronischen Charakter. Und wie um auf die bereits angesprochene Anders- und Einzigartigkeit auch ja nicht ins Vergessen geraten zu lassen, kommt der Track „(O)Kami“ im R‘n’B Gewand daher und schmückt sich „She Said“ mit Funk-Federn.
Am Ende der Platte wird einem plötzlich klar, dass RETRO STEFSON nicht mehr wie die Vorgängeralben in einem Mix aus Englisch, Isländisch und Portugiesisch, sondern durch die Bank in englischer Sprache gehalten ist. Klingt ordinär oder zufällig. Und untermauert doch die Vermutung, dass Retro Stefson einfach genau das tun, was sich richtig anfühlt. Für sie. Und für die Hörer des Albums.
Ohr D’oeuvre: Solaris / Glow / Miss Nobody /Qween
VÖ: 22.03.2013; Les Freres Stefson (rough trade)
Tracklist:01. Solaris
02. Glow
03. Qween
04. Miss Nobody
05. (O)Kami
06. Time
07. She Said
08. True
09. Fall
10. Julia
Gesamteindruck: 8,5/10
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