Auch wenn der Begriff Folk-Punk eine gewisse – nennen wir es mal „Gesetztheit“ mit sich trägt, mag es den ein oder anderen doch wundern, dass Frank Turner ausgerechnet in der Kultur Kirche auf seiner Tour in Köln Halt macht, fasst diese doch knapp 600 Besucher. Da hätte man bei Herrn Turner doch größere Hallen erwartet – auch wenn ein großer Deutscher Elektronikfachmarkt ihn kürzlich tatsächlich als „Newcomer“ vorzustellen wagte.
Nach ordentlicher Einheizung durch den Support Larry And His Flask mit stilgerechter Instrumentalisierung wie z. B. einem Kontrabass, das von dazugehörigem Bassisten hintendran in regelmäßigen Wogen in die Luft gehoben wird, tritt der Pastor der Lutherische, wie das Gotteshaus eigentlich heisst, auf die Bühne und hält wie vor jedem Konzert eine Ansprache, es solle bitte nicht geraucht, dafür aber gerne umso mehr Spaß gehabt werden. Ein ebenso außergewöhnlich wie auch nettes Ambiente, das hier geschaffen wird, was natürlich mit Herr Turners Betreten der Bühne um so einiges gesteigert wird. Was mit tosendem Applaus und sofortigem, textsicheren Gesang des Publikums beginnt, hält sich die gesamte Konzertlänge durch. Und zwischendurch immer die kokettierenden Zwischenansagen von Frank Turner. So wird „Peggy Sang The Blues“ zum Beispiel in überraschend gutem Deutsch angesagt, das folgende Lied ginge „nur um drei Dingen: Kartenspielen, lange auf bleiben und trinken mit meine Oma“. Da klingt der Song gleich doppelt so gut; überflüssig zu erwähnen, dass auch dieses Lied von vorne bis hinten von allen mitgesungen werden kann – wie es sich für brave Kirchgänger eben so geziemt!
Ob Songs wie „Substitute“, dessen Text wohl zumindest die weibliche Fangemeinde Herrn Turners und seiner Musik vollends verfallen ist oder „Plain Sailing Wheather“ vom aktuellen Album TAPE DECK HEART, zu dem Herr Turner noch loswerden musste, dass die Macher von „Die fabelhafte Welt der Amélie“ wohl die gleichen Menschen sein müssen, wie die Hersteller von Valentinstagkarten – die Stimmung grenzt durchweg an den Siedepunkt und nicht ein Besucher kann die Beine so wirklich still halten. Kaum vorstellbar, dass Frank Turners erste Show in Köln im Stereo Wonderland stattgefunden hat, das ja nur ca. 70 Besucher fasst und für solche Tanzeskapaden wohl keinen Platz bietet. Doch auch die kleinen Anekdoten werden freudig aufgenommen. Oder eben auch die längeren Anekdoten, wie die Geschichte über Turners von Liebeskummer geplagten Freund, dem mit einer spontanen Einladung auf eine Musikgala Abhilfe geboten wird, dort Kylie Minogue erblickt, einen Plan ausheckt, mit ihr einen trinken zu gehen und sich letztendlich auf Toilette niemand geringerem als Tom Jones gegenüber wiederfindet. Wahre Geschichte hin oder her, selten gab es in der Musikgeschichte eine so amüsante Überleitung zum nächsten Song, der – wie sollte es anders sein – ein Cover von eben diesem Herrn Jones ist und auf den Namen „Delilah“ hört.
Neben diesem Cover fällt auf, dass überraschenderweise mehr Songs von Turners 2011 erschienener Platte ENGLAND KEEP MY BONES als vom aktuellen Album gespielte wurden. Und doch ist die Mischung der Songs durchaus ausgewogen und bereits noch vor Vollendung des Sets kommen die Kölner in das Vergnügen, „Recovery“ dargeboten zu bekommen.
Als Turner und Band nach über einer Stunde die Bühne verlassen, dauert es nicht lange, bis er sich solo wieder blicken lässt, sich bei einem gewissen Peter bedankt, der am heutigen Abend im Publikum anwesend ist, denn dieser war so nett, ihm den Song „Eulogy“ auf Deutsch zu übersetzen. Zur allgemeinen Erheiterung wird dieser natürlich auch vorgetragen. Gefolgt von drei weiteren Zugaben ist das Publikum nach einem großartigen Konzert befriedigt und kann auf dem kleinen Kirchplatz zufrieden auf ein Konzert zurückblicken, das musikalisch wie auch auf Sympathie-Ebene seinesgleichen sucht.
Fotos: Julia Laacks