Eins muss man den Gallaghers lassen. Wo sie sonst anlässlich ihres Bruderzwists gern mal zu verbalen Entgleisungen neigen, verläuft die Vermarktung der eigenen Musikprojekte in absolut geordneten Bahnen. Erst durfte Liam mit Beady Eye und DIFFERENT GEAR, STILL SPEEDING vorlegen, dann – als auch die dazugehörige Tour vorbei war – schoss Noel mit seinem Soloprojekt Noel Gallagher’s High Flying Birds nach. Während dieser jetzt wieder die Füße hochlegt, nachdem er abgeräumt hat, was abzuräumen war, ist Liam an der Reihe, mit Beady Eye das zweite Werk BE an den Mann zu bringen. Dass Noel die Latte in schwindelerregende Höhen gehängt und damit auch dem letzten noch Hadernden klar gemacht hat, welcher Gallagher Oasis‘ Mastermind war, dürfte als feststehend anzusehen sein. Wer aber nun erwartet, dass Liam mit Beady Eye im Vergleich zum ordentlichen 2011er Debüt zumindest nochmal einen Gang raufschaltet, den ereilt beim Hören von BE schnell die Ernüchterung.
Denn wirkliche Highlights sind auf BE nur wenige zu finden. Zwei, um genau zu sein. Der Opener „Flick Of The Finger“ überzeugt mit Bläsern und stampfendem Beat, der einen Vergleich mit den letzten Songs von Oasis geradezu aufdrängt. „Second Bite Of The Apple“ ist mal was ganz anderes, da weit weg von dem ansonsten prägenden Britpop- / Beatles-Ding. Entstanden aus einem Samba-Beat von Drummer Chris Sharrock, ergänzt durch eine einfache Bassline von Liam. Funktioniert. Der Rest wirkt leider etwas abgestanden und vorhersehbar. Klar, Liams Gesang sucht immer noch vergebens seinesgleichen und eine Melodie wie die von „Iz Rite“ haben sich allenfalls die Beatles oder Byrds einfach so aus dem Ärmel geschüttelt. Der eine oder andere Überraschungseffekt hätte aber mehr als gut getan. Und woher Lines wie „breathe in, breathe out and then breathe in again“ („Soon Come Tomorrow“) oder „one, two, three, you and me“ („I’m Just Saying“) ihre Daseinsberechtigung haben, wird sich wohl nie aufklären lassen. Weitaus aussagekräftiger ist dagegen der Text von „Don’t Brother Me“. Endlich! Die große Abrechnung mit dem Bruder und zugleich das von jedem Oasis-Fan lang ersehnte Friedensangebot inklusive Lennon-Zitat! Da ist ja wohl klar, dass Noel gemeint ist. Ganz so einfach ist das allerdings nicht. Offensichtlich habe er den Song über seinen Bruder geschrieben, sagt Liam. Aber schließlich habe er zwei davon. Da war Herr Gallagher am Ende vielleicht doch noch für eine Überraschung gut.
Ohr D’oeuvre: Flick Of The Finger, Second Bite Of The Apple
VÖ: 07.06.2013 Smi Col / Sony Music
Tracklist:
01. Flick Of The Finger
02. Soul Love
03. Face The Crowd
04. Second Bite Of The Apple
05. Soon Come Tomorow
06. Iz Rite
07. I’m Just Saying
08. Don’t Brother Me
09. Shine A Light
10. Ballroom Figured
11. Start Anew
Gesamteindruck: 6/10
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