The Notwist sind in der Domstadt und jeder möchte hin. Bei all dem Zuspruch gibt es auch eine gewisse Zahl von Leuten, die die Band ablehnen. Denen sind Klangcollagen zu viel Kunst und zu wenig Musik. Manche im Bekanntenkreis kennen Notwist nicht einmal. Einen Radio- oder gar Charthit haben die Bayern nicht vorzuweisen, obgleich sie von Fans und Kritikern gleichermaßen verehrt werden.
„Pilot“ sowie „Pick Up The Phone“ dürften die beiden bekanntesten Nummern sein. Und trotzdem oder gerade deswegen ist das E-Werk schon seit einiger Zeit ausverkauft und mit den unterschiedlichsten Personen mit unterschiedlichen Merkmalen gefüllt. Vom geschminkten Blondchen über den Banker bis zum älteren (junggebliebenen) Herrn ist alles vertreten. Ist die Musik von The Notwist also inzwischen doch salonfähig und etabliert?
In der Livesituation lässt sich so etwas immer ganz gut feststellen, doch bevor die Gebrüder Acher mit vier weiteren Musikern loslegen können, legt Jel alias Jeffrey Logan als Support los. Heute ist sein Set, dass er ab und zu gesanglich begleitet, deutlich HipHop- und Rock lastig, Drum&Bass kommt weniger zum tragen. Manchmal erinnert der Sound des Amerikaners etwas an einige Songs von Beck. Ungewöhnlich lange für einen Support darf Jel werkeln rund 50 Minuten, dann ist sein Mix beendet. Nicht wirklich spektakulär, aber der Gig von Jel geht in Ordnung.
Die folgende Umbaupause ist zügig und kurz, so dass The Notwist keine zehn Minuten später auf der Bühne stehen. Nach einem kurzen „Hallo“ bildet „They Follow Me“ den Opener. Zu Beginn der Show ist die Bühne beinahe zart ausgeleuchtet, fast in Form einer Lichterkette, doch bei schnelleren und lauteren Songs sowie überraschenden Momenten werden auch Stroboskoplicht und weiße Strahler eingesetzt. Entertainment oder Interaktion mit dem Publikum betreiben die Männer wie gewohnt nicht, diese beschränkt sich auf verschiedene Varianten, sich beim Publikum zu bedanken wie etwa „Vielen Dank“ oder „1000 Dank“. Dafür sitzt jeder Handgriff perfekt, der Sound ist gut, nur anfangs wirkt der Gesang von Markus Acher etwas dünn. In der Setlist hat das neueste Werk CLOSE TO THE GLASS mit sieben Titel zwar den Hauptanteil, jedoch ist bei 22 Songs – zwei laufen ineinander über – genügend Raum für alte Nummern. Urplötzlich soll nach rund einer Stunde und zwölf Songs mit „Gravity“ schon Schluß sein, doch die Weilheimer Band lässt sich insgesamt zu drei Zugabeblöcken überreden und hinaus bitten. Das Publikum selbst verhält sich ruhig und entspannt, will und scheint die Musik zu genießen und – fast das größte Kompliment – lässt Handys und Kameras weitestgehend stecken. Und so beenden The Notwist mit Liedern wie „Consequence“ und „Gone Gone Gone“ in den Zugaben einen audiovisuellen Leckerbissen und beweisen erneut, dass sie live zu den besten Bands Deutschlands gehören. Und so etwas darf sich herzlich gerne etablieren oder salonfähig werden.
Setlist:
They Follow Me
Close to the Glass
Kong
Boneless
Pick Up The Phone
Into Another Tune
This Room
One dark love poem
One With The Freaks
Run Run Run
Casino
Gravity
Neon Golden
Different Cars And Trains/Pilot
Gloomy Planets
7-Hour-Drive
Chemicals
Consequence
Puzzle
My Faults
Gone Gone Gone
Fotos: jmc/Berbig