Was hat Jan Delay vor allem von der Presse eins auf die Mütze gekriegt, als die ersten Nummern seines neuen Albums HAMMER & MICHEL publik wurden. Noch nicht veröffentlicht, steht für die Meisten fest, dass Delay und „Rock-Songs“ nicht zusammen passen.
Zur Zeit gibt der Hamburger Entertainer zusammen mit seiner exzellenten Band Disko No. 1 Clubkonzerte, quasi zum Warmmachen, bevor es im Herbst auf große Hallentour geht. Für Köln wurde der Stadtgarten gewählt, ein Laden, der den Schwerpunkt auf Jazz legt und gut 400 Leute fasst. So wundert es nicht, dass dieses Konzert binnen weniger Minuten ausverkauft war, an ein Publikum, welches (auch optisch) unterschiedlicher kaum hätte sein können. Als Opener wählt Jan Delay „Liebe“, bevor es dann mit „Wacken“ zum ersten schon länger bekannten Song im Rockgewand kommt. Und es funktioniert. Es funktioniert, weil eben doch Bläser, Congas und andere Instrumente, die nicht in der Rockmusik üblich sind, eingesetzt werden und den alten Delay durchschimmern lassen. Getreu dem Motto „Alles halb so wild“ werden alte Fans nicht wirklich verschreckt, denn so sehr ändert sich der Bühnensound gegenüber früheren Konzerten nicht.
Jan Delay und seine Mitstreiter geben sich sehr souverän, publikumsnah und lassen viel mit sich machen. So wird der Ordner gebeten, die Leute durchzulassen oder die Backgroundsängerinnen schneiden Grimassen für Fotos. Diese drei Damen strahlen die meiste Energie aus und sind nicht aus der Ruhe zu bringen. Jemand verschüttet sein Getränk auf der Bühne und sie wischen mit einem Handtuch unter den Füßen tanzend den Boden wieder trocken. Delay selbst mimt mit den Fingern immer wieder das Teufelszeichen, ernst zu nehmen scheint er das Rockerdasein jedoch nicht.
Zwar werden Songs der Red Hot Chili Peppers („Can’t Stop Me“), Beastie Boys („You Gotta Fight For Your Right To Party“) oder auch von Lenny Kravitz’ („Are You Gonna Go My Way“) in Teilen verwendet, angespielt oder angedeutet, solche Ausflüge in die Rockmusik gab es von Delay – wenn auch nicht so häufig – früher schon. „Dicke Kinder“, ebenfalls aus dem kommenden Album, ist der einzige Song, der sehr gitarrenlastig daherkommt und ahnen lässt, wie es klingen könnte, würde Jan Delay richtig ernst machen. Da aber auch bekannte Songs aus der gesamten Diskografie gespielt und Hits wie „Klar“ und “Oh Jonny“ somit nicht ausgelassen werden, wirkt vieles vertraut und die Stimmung bleibt immer brodelnd.
So sollte der neue Sound nicht überbewertet und erst Recht nicht als eine Art Verrat gesehen werden, das wäre schlicht übertrieben und würde einem sehr souveränen Gig nicht gerecht. Spielfreude, Wortwitz und Hingabe bietet dieser Abend en masse und machen das Konzert auf kleinem Raum für jeden Fan zu einem besonderen Ereignis. Einzig „St. Pauli“ zum Schluss zeigt, dass die Kritiker nicht ganz Unrecht haben. Hier wurde eine „Hymne“ kreiert, der es irgendwie an Klasse mangelt und die teils ärgerliche Textpassagen enthält. Mit schlechten AA-BB-Reimen wie “Auf St. Pauli brennt noch Licht/da ist noch lange noch nicht Schicht/ denn im Großen und im Ganzen/ ham wir allen Grund zum Tanzen“ wird Herr Delay seinem eigenen Niveau nicht gerecht. Da ändert es auch nichts, dass er den Song heute Abend auf Köln ummünzt. Aber vielleicht ist es ja ganz gezielt der Rausschmeißer.
Bericht: Jan Rombout Fotos: Wolfgang Heisel
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Setlist:
Liebe
Wacken
Türlich
Fick
Chilli Peppers Medley
B-Seite
Eingeladen
Action
Hertz 4
Dicke Kinder
Sonne / Eimbush City
Feuer
Oh, Jonny
Disco
Freeze/Lenny/Fight/Blur
Klar
St. Pauli