Wenn ein gewisser Herr Eißfeldt ankündigt, ein Rockalbum machen zu wollen, wird die Musik-Nation erstmal aufmerksam. Hiphop, Reggae, Funk, Big Band – und nun auch noch Rock? Zuzutrauen wäre es dem Multitalent Jan Delay allemal, schließlich hat er sich in den letzten 15 Jahren regelmäßig an neue Stile herangewagt, meist mit großem Erfolg.
Jetzt soll es also ein Rockalbum sein. Schon die Vorabsingle „Wacken“ zeigte, wie ernst es dem Hamburger damit scheinbar ist: Mit einem weißen Anzug und rosafarbenen Lackschuhen stakt Delay über das größte Metal-Festival Europas. „Tschüss ihr Spacken, ich geh nach Wacken“, singt er dazu – was davon ist wahre Rock-Attitüde, was Zirkusshow?
Statt Mobb Deep jetzt also Deep Purple. HAMMER UND MICHEL ist im Prinzip die Ü30-Party unter den Rockalben. In einzelnen Portionen kann das sogar Spaß machen (wie unser Bericht vom Auftritt in Köln belegt), wer sich aber intensiv mit dem Thema (in diesem Falle: Rockmusik) befasst, merkt: Nee, als Rockscheibe geht das hier höchstens bei denen durch, für die der Liquido-Gassenhauer „Narcotic“ die Speerspitze der deutschen Rock-Evolution darstellt. Denn summa summarum klingt das vierte Album unter gleichem Künstlernamen nicht viel anders als die beiden Vorgänger. Weniger Bläser, stattdessen jede Menge verzerrte Gitarrenriffs oder auch mal ein Ausflug in nahezu-Bluesrock („Straße“). Man merkt die Rampensau, man merkt das Augenzwinkern, man merkt den gerne kritischen Sarkasmus. Alles typisch Jan Delay eben, ergänzt um ein paar Gitarren. Mit einem richtigen Rockalbum hat die ganze Chose aber letztlich so viel zu tun wie eine Kuh mit Eislaufen. Gut, muss auch nicht zwangsläufig. Denn der Reiz des Ganzen liegt im Detail: Die „Scorpions-Ballade“ kommt mit schmalzigem Stadionrock, dafür aber beißender Kritik. Und die kann er immer noch – wenn er will. „All die ganzen Ideale / ja die tragen wir zu Grabe / da spring ich doch auf den Zug auf / und mach ’ne Scorpions-Ballade“, singt er höchst sarkastisch. Und wenig später: „Denn die Faschos hören 2Pac / wollen Bob Marley“.
Wäre HAMMER UND MICHEL doch immer so zwingend. Ist es leider nicht. Denn außer einer Hand voll Songs annehmbarer Songs, die für richtig Stimmung sorgen, plätschert der Longplayer des Hamburgers viel zu oft dahin – und kann sich nicht entscheiden, was er eigentlich will.
Ohr d’oeuvre: Dicke Kinder / Sie kann nicht tanzen / Action
VÖ: 11.04.2014; Universal
Tracklist:
01. Liebe
02. Dicke Kinder
03. Sie kann nicht tanzen
04. Straße
05. Fick
06. Scorpions-Ballade
07. Nicht eingeladen
08. Action
09. Hertz 4
10. St. Pauli
11. Wacken
12. Kopfkino
Gesamteindruck: 5/10
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ey der singt die „bullen, bob marley“ nicht wollen bob marley!
Lieber Zuhörer,
vielen Dank für deine freundliche Korrektur. Aber selbst wenn wir diese Textzeile nicht ganz richtig herausgehört haben, ändert es an der Aussage absolut nichts.