Appletree Garden Festival 2014, Diepholz, Tag 1
Das diesjährige Appletree Garden Festival ist schon wieder an einem vorbei gerast wie nichts Gutes. Und doch hinterlässt das allzu schnell vorübergesauste Wochenende ein Lächeln bei einem zurück, das all den schönen Begegnungen und dem gesamten Drumherum zu verdanken ist.
Gleichwohl das Festival bereits am Donnerstagabend mit einem bunten Programm gestartet ist. Im Jahr zuvor wurde der Donnerstagabend lediglich als Pre-Party auf dem Zeltplatz verkauft, obwohl bereits die ersten Bands aufgetreten waren. Nur ein müdes Lächeln konnten diejenigen aufbringen, die ihre vermeintlichen Lieblingsacts verpasst hatten. Es hagelte Kritik. Man hat in diesem Jahr dazugelernt und den Donnerstag als Festivalbeginn deklariert. Übrigens hat der unübersehbare Boom im Ticketvorverkauf gezeigt, dass derartige Veränderungen durchaus begrüßt worden sind.
Der erste Abend kann sich darüber hinaus auch sehen lassen. Man staunt nicht schlecht über die Acts, die einem auf der Hauptbühne der Reihe nach geboten werden. Farbenprächtig ist genau das Stichwort, wenn es um die ersten Acts des Abends geht. Bilderbuch, eine junge Formation aus Wien machen schon lange mit ihren Textpassagen wie „Leg die Maske an für den Fiaskoball“ oder ihrem derzeitigen Dauerbrenner „Maschin“ auf sich aufmerksam. Als erster Act des Abends legen die vier Jungs, die derzeit irgendwo zwischen dutzenden Auftritten in Deutschland umherirren, einen stimmungsgeladenen Einstieg hin. Mø, die quirlige Dänin, legt vom Regen begleitet ebenfalls ihren Sound-Beitrag hin, der sich gewaschen hat. Sie schwingt die Hüften und tanzt, entgegen ihre Kassenschlagers „Don’t wanna dance“, hemmungslos umher, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Staubtrocken und saftlos ist hingegen das häufige Verwenden von Playbacks.
Balthazar, ihres Zeichens eher subtil und zurückhaltend in ihrer Performance, überzeugen auch ohne große Tanzeinlage alleine durch ihren Musikbeitrag. Erst vor zwei Jahren standen sie zuletzt auf der Bühne. Der Act des Abends ist und bleibt der Auftritt des DJs Alle Farben alias Frans Zimmer aus Berlin, der mit seinem zweistündigen Slot den Besuchern mit seinem feinsortierten Set kräftig einheizt. Ob nun alle Tracks federführend sind oder nicht, wird indes nicht hinterfragt. Vielmehr scheint es so, als warten einige der Besucher auf nur einen Song. „She Moves“ ertönt in einer abgewandelten Version, sodass lediglich ein kleiner Auszug vom Refrain durchsickert. Alles andere wäre für die versierten Musikliebhaber sicher auch zu „mainstream“ gewesen. Immerhin beweist der gute Mann mit seinem Electro-Swing Ausschweif, dass er Geschmack und Spürsinn für sehr tanzbare Musik besitzt. Gefallen gefunden haben dürften fortan auch alle Besucher, die sich aus der lodernden Euphorie gar nicht mehr bremsen lassen wollen und raschen Schrittes zur Zeltparty überwechselten.
Der zweite Tag knüpft leider nicht direkt dort an, wie er aufgehört hatte. Himmelhoch jauchzend schlägt der Puls der Öffentlichkeit erst gegen Nachmittag, denn das Wetter meinte es nicht gut mit einem.
Ein bunter Strauss lauter Festivalimpressionen von Tag 1 gibt es hier:
Appletree Garden Festival 2014, Diepholz, Tag 2
Ein erfolgreiches Werkzeug ist und bleibt die gute Vorbereitung, um dem Zufall nicht blank ausgeliefert zu sein. Was grad spöttisch klingt, ist jedoch beim zweiten Tag des Appletree Garden Festivals eingetroffen. Und dabei ist noch nicht einmal die Rede von der Schlechtwetterlage, die zunächst bis zum Nachmittag anhält und für eine Matschlache auf dem gesamten Gelände sorgt. Aus einem Irrtum heraus entwickelt sich ein Durcheinander, welches den Veranstaltern ab diesem Zeitpunkt sicher keine ruhigen Minuten beschert haben dürfte. Umso erstaunlicher ist es, wie gut das Line-Up an Tag 3 dennoch auf den Bühnen umgesetzt werden konnte. Keine Bilderbuchtage, so viel steht fest. Doch dazu später mehr.
Auf Streifzug durch den Matsch gehen diejenigen, die sich mit Gummistiefel und Regenjacke bewaffnet auf ein tolles Bühnenprogramm am Nachmittag erfreuen können. Und alle anderen, zwar mit weniger Ballkleid gekleidet, tun es Ihnen gleich. Highasakite, eine noch sehr frische Band aus Norwegen, die sich mit ihrem Indie-Pop Sound noch in den Startlöchern befinden und und Xul Zolar, eine ebenfalls sehr junge Band aus dem Lande, eröffnen das Programm. Die Kölner dürften aufgrund großer Beliebtheit auf dem Gelände ihre Fanbase um einige Fans mehr ausgeweitet haben. Auch die drei jungen Herren, die allesamt zugegebenermaßen etwas zerstreut daherkommen sind selbst diejenigen, die sich den Veranstaltern und dem Publikum gegenüber als sehr dankbar erweisen. Dass sich alle Besucher trotz anhaltender Nässe vom Vorabend dort eingefunden haben, überträgt Sänger Ronald Röttel als Lob für ihre Musik. Alle zusammen tanzen im wahrsten Sinne des Wortes den Regen weg. La Femme, Kensington und Natas Loves You läuten das späte Nachmittagsprogramm ein.
Letztere sind diejenigen, die auf der Waldbühne mehr als positiv von sich Reden machen. Es ist zum einen schön mitanzusehen, dass die Fünf sich sichtlich daran erfreuen, auf dem Appletree spielen zu dürfen und zweitens, dass sie auf so viele tanzhungrige Besucher treffen. Die Liebe zur Indie-Pop/Rock Musik mit psychedelischen Ausklängen ist in diesem Moment bei allen Anwesenden spürbar.
Hautnah schlägt der Puls der Öffentlichkeit auch bei den darauffolgenden Acts Dan Croll und We Were Promised Jetpacks aus. Lucy Rose, die in der Zwischenzeit auf der Waldbühne ihre Darbietung liefert, gelingt es nicht so ganz, die Besucher mit ihrer Musik einzunehmen. Es ist zwar abgedroschen zu sagen, dass ihr Singer-Songwriter Sound vielen schlichtweg zu sanft daher kommt. Fakt ist aber, dass diese Meinung beim Publikum allgegenwärtig ist.
Das brachiale Getöse, das im Vorjahr ausgelöst wurde, als der Vorhang hinabstürzte, um den Secret Act bekanntzugeben, fällt bei Hundreds in diesem Jahr eher nüchterner aus. Der Wow-Effekt bleibt aus. Vielmehr geht ein Raunen umher, wer um Himmels willen diese Frau sei. Fast schon entrüstet dürften diejenigen gewesen sein, die noch nicht einmal die Songs der Band auf dem Schirm hatten. Wie dem auch sei, hält der Abend noch weitere tolle Acts, und auch weniger erfreuliche Überraschungen bereit.
Mount Kimbie und William Fitzsimmons, zwei Künstler die unterschiedlicher nicht sein könnten, halten bis kurz vor zwölf die Stellung. Der eine Part driftet in elektronische Sphären ab, wohingegen der US-amerikanische Singer-Songwriter mit unglaublich sanften Tönen und Gitarrenbegleitung auskommt. Kein Unbekannter in diesem Genre, wenn auch viele sicher nur „Please Don’t Go“ kennen dürften. Ein spritziges Programm folgt. Die jungen wilden aus Island, anders als der Name vermuten lässt, runden das Schaulaufen namhafter Acts mit ihrem fulminanten Elektro-/Pop-Mix ab. Ein Lob ist an dieser Stelle den Veranstaltern gegenüber auszusprechen, die es schaffen eine Fülle an unterschiedlichsten Acts verschiedener Genre auf die Bühne zu holen. Dennoch gilt auch hier, mit dem Trend zu gehen, und auch elektronische Acts auf die Bühne zu holen, weshalb HVOB als Finale nicht fehlen sollten. Unendliche Klangräume tun sich hier auf. Fast schon sphärisch wirkt die Inszenierung auf der Bühne. Umgesetzt wird das Ganze mit einer Lichtshow, die in ein besonderes Gewand gekleidet wird, welche vom unmittelbaren Wäldchen samt Lichterkettenromantik ausgeht. Liebhaber elektronischer Tanzmusik freut es, wenngleich auch einige aufgrund der Wetterextreme bis dato in andere Welten vorgedrungen sind.
Die Tatsache, dass viele Besucher bereits ihr Schlafgemach aufgesucht haben, könnte auch Auslöser dafür gewesen sein, weshalb am nächsten Tag eifrig Kritik geübt wird. Pünktlich um 01:50 Uhr steht Son Lux auf der Bühne und das Chaos ist perfekt. Laut eigener Aussage habe man „einen organisatorischen Fauxpas“ verursacht. Ryan Lott samt Band hätte eigentlich erst am Samstag das späte Abendprogramm abrunden sollen. Die Besucher, die seiner überschwänglichen Bühnenperformance folgen konnten, erleben großes Kino. Die Theatralik findet nicht nur auf der Bühne statt, sondern auch in seinen Songs. Der talentierte US-amerikanische Musiker ist ohnehin für größere Bühnen bestimmt. „Easy“ und „Lost It To Trying“ erinnern eher an Soundtracks als an Kleinstadt-Rummelmusik. Der Rummel um seine Person hält derzeit unentwegt an. Und der Trubel, der nachts begonnen hat, wird auch über den gesamten nächsten Tag hinweg anhalten, so viel sei gesagt.
Impressionen von Tag 2:
Appletree Garden Festival 2014, Diepholz, Tag 2
Der dritte Tag hat begonnen. Es ist ein erneutes Schaulaufen zahlreicher Festivalbesucher, die nach dem Besuch im nahegelegenen Freibad, wieder sauber aufschlagen können. Das Wetter zeigt sich nun von seiner besten Seite, wohingegen die Zeltcamps und das Gelände weiterhin an überdimensionale Matschhöhlen erinnern. Viele trotzen dem Schlammpfuhl, indem sie Barfuß durch das Gelände stampfen. Es geht vorbei an Merchandise-Ausstellern und Imbissständen, die sicher zur Erleichterung von vielen, ausgewählte Bio und meist vegane Speisen bereithalten. Mit Liebe zum Detail erstrahlt das Gelände nicht nur im Dunkeln in vollen Glanz. Das Gelände ist auch tagsüber ein echter Blickfang. Mit Hippie-Ecke mit zahlreichen Spielereien sowie gemütlichen Sitzgelegenheiten hebt sich das Festival von anderen ab und sorgt damit für ein besonderes Ambiente mit Wohlfühlcharakter.
Ohnehin versucht man so umweltfreundlich wie möglich aufzutreten. Ein Trend, der sich auch auf anderen Festivals seither abzeichnet. Woanders wird Strom mit Fahrrädern erzeugt, hier werden Fahrräder verliehen, um den Shuttle-Bus -Wahnsinn zu trotzen. Es ist früher Nachmittag geworden. Die Laune ist zu diesem Zeitpunkt auf Wohlwollen gepolt. Das Line-Up an diesem Tag zeigt sich auch von seiner besten Seite. Allerdings hält das Programm auch viele Änderungen bereit, die zwar für ein strukturiertes Chaos sorgen, dafür aber auf verwirrte Blicke von denjenigen ernten, die das Vorabenddilemma nicht mitbekommen haben.
Bei den ersten beiden Acts ist der Zeitplan bis auf eine kleine zeitliche Verzögerung von 20 Minuten, so geblieben wie angekündigt. Auch ansonsten sind die Spielzeiten bei der kleineren Waldbühne gleichbleibend, wohingegen die Acts des Abends, die auf der Mainstage Vorlieb nehmen dürfen, samt Zuschauer etwas Geduld mitbringen müssen. Glück gehabt, dass die Zeitfenster einzelner Bands Luft lassen und nicht derart straff gemanaged sind. Dennoch geht kein Raunen in der Menge umher.
Die aufgeweckte Sängerin und Rapperin Coely Mbueno startet den Tag mit einem sehr stilvollen Auftritt. Sie hat sich bestens auf das Publikum eingestellt und legte bereits am Vormittag mit einem kurzen Soundcheck los. Das Publikum bedankt sich dabei mit kräftigem Applaus. Und auch hier greift abermals das Lob, das man sich gewagt hat einen Hip Hop Act auf die Bühne zu holen, ohne dabei einen Stilbruch auszulösen. Die erst 20-jährige Künstlerin sorgt mit ihren Rap- und Beatboxeinlagen dafür, dass sich klein Appletown fortwährend auf Stimmungskurs befindet. Die Band mit dem wohl ungewöhnlichsten Namen des Tages sind AnnenMayKantereit, welcher eine Zusammensetzung aus den Nachnamen der Bandmitglieder ist. Die „kölsche Jungs“ decken mit ihren gemütlichen Sound das Chillaxing und Laid-back Genre des Tages ab. Man hört ihnen gerne dabei zu. Dort knüpft auch über eine Stunde später Scarlett O’Hanna an. Ruhig und besonnen schildert die belgische Singer-Songwriterin mit ihrer zarten Stimme ihren Alltag und berichtet von den Begebenheiten die ihr begegnet sind.
Ωracles sind ein echter Geheimtipp und eine Empfehlung zugleich. Um 17:30 Uhr betreten die jungen Wilden, die sich ihrer optischen Erscheinung und dem daraus resultierendem Vergleich, eine Band aus den 60er zu sein, sicher bewusst. Ihr Sound ist ein Ebenbild ihrer selbst und kommt beim Publikum gut an. Kate Tempest betritt wie vim Line-Up angekündigt als nächste die Bühne, wohingegen die englische Formation mit dem Bandnamen Findlay erst um 19:20 Uhr die Bühne erklimmen. Fanfarlo, die noch auf dem Line-Up gelistet sind, haben ihren Auftritt bereits Wochen vorab gecancelt.
Das Warten hat sich gelohnt. Sängerin Natalie Findlay überzeugt mit ihrer extravaganten bis leicht lassiven Bühnenperformance und erinnert dabei sehr an Mø. Dämmernde Bässe samt Schlagzeugeinsätze sorgen für die perfekte Rockkulisse auf dem Festivalgelände. Gespielt wird, was ihre zwei EP#s hergeben. Die Menge vor der Bühne füllt sich zu diesem Zeitpunkt mehr denn je und verliert sich wieder als Is Tropical mit ihrem Soundbeitrag auf der Waldbühne anknüpfen wollen. Eine Enttäuschung macht sich hier breit. Wer diese Band, mit anderen namhaften, englischen Indietronica und Dance-Acts vergleicht , muss feststellen, dass dieser Vergleich schnell zunichte gemacht wird. „Dancing Anymore“ mag für Aufsehen gesorgt haben. Die Darbietung hier ist schlichtweg leidenschaftslos. Der Auftritt der weiblichen Gesangsstimme vom genannten Song, ist kein Stück besser. Sie schwingt ihre Haare konstant von der rechten zur linken Seite, verzieht keine Miene und tut das, was man ihr aufgetragen hat. Besonders gut Schau diese Showeinlage nicht aus.
Ein Sinnbild einer Band geben im Anschluss WhoMadeWho ab. Gekonnt und gewitzt zugleich geben sich die zwei Männer Hauptakteure aus Kopenhagen dem Stimmungsjubel des Publikums hin. Diesen Auftritt wollte keiner verpassen, somit ist es nicht verwunderlich, dass das Gelände zu diesem Zeitpunkt aus allen Nähten platzt. Es gibt kein Halten mehr. Der Stimmungsbogen und die Vorfreude auf Moderat, den Hauptact des Abends ist zu diesem Zeitpunkt unaufhörlich.
Zunächst folgt allerdings noch Linkoban. Als „exzentrische Electro-Rap Künstlerin“, wie sie und ihre Musik beschrieben wird, beweist Ling Ly, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt, dass ihr turbulenter Stilmix dennoch Hand und Fuß besitzt und mit ordentlichen Beats für eine freaky Liveshow sorgt, die obendrein Spaß bereitet.
Der große Moment gekommen. Die Besucher, die auf einem Festival bisher nicht in den Genuss gekommen sind, Modeselektor oder Apparat live zu erleben, bekommen nun die volle Bandbreite geboten. Mit eigens vorgefertigter Projektionsfläche, die im Taktschlag pulsiert, kommen die drei Herren daher. Ohne eine derart ausgereifte Animation würde deren Performance sonst untergehen. Die großen Hits des neuesten Albums wie „Bad Kingdom“ und „Last Time“ werden relativ zügig rausgehauen, wobei man sich diese bei einer Stunde Spielzeit auch bis zum Ende hätte aufsparen können. Grundsätzlich kann man sagen, dass gute Tracks alleine dennoch kein klasse DJ-Set ausmachen. Zu dieser Erkenntnis kommt auch das Publikum. Diese starren gebannt nach vorne, rühren sich nur teilweise, klatschen und lodern nach rechts aus, als der letzte Act des gesamten Festivals sich verabschiedet. Who Made Who wäre an dieser Stelle sicherlich besser platziert gewesen.
Bilanz ziehen müssen nun auch die Veranstalter, die es sich mit Sicherheit zur Aufgabe machen werden, im nächsten Jahr gegen jegliche Pannen etwas präsenter aufgestellt zu sein, sodass man den Buschfunk und die Informationsverteilung auf dem Gelände etwas ausweitet. Es erspart Stress, Trubel und mindert die Kritik der Besucher. Doch kein Grund zur Sorge. Im Grunde halten doch alle immer nur an den tollen Momenten fest. Und davon gibt es zahlreiche in diesem Jahr. Die Liebe zum Festival und zur guten Musik machen es eben aus. Weiter so!
Impressionen von Tag 3:
Fotos: Stephan Lange, Ole Conrads, Manuela Hertling