Sie waren nicht die Ersten in der Hamburger Schule, und vermutlich werden sie auch nicht die Letzten sein. Aber zusammen mit Tocotronic gelten Die Sterne als Fixpunkt der Musikbewegung in den vergangenen beiden Dekaden.
Frank Spilker und Co. experimentierten schon immer gerne ein bisschen mehr mit ihrer Musik als die Tocos, auf ihrem letzten, 2010 erschienenen Album 24/7 allerdings übertrieben es die Sterne dann doch ein bisschen mit ihren elektronischen Sperenzchen und vergraulten damit etliche ihrer Fans. Alles vergessen, alles verziehen. Für FLUCHT IN DIE FLUCHT tauschte das Trio die Discokugel wieder gegen Gitarre, Schlagzeug und Bass ein – und bekam anscheinend noch eine Lavalampe gratis dazu. So klingt ihr zehntes Studioalbum zwar wieder typisch nach den Sternen, verneigt sich dabei aber mehr denn je vor den psychedelischen Sounds der Sechziger Jahre. Das fängt schon beim schmissigen Opener „Wo soll ich hingehen“ an, der – die Vocoder-verzerrten Hintergrundgesänge mal ausgeklammert – auch auf den Frühwerken der Band Platz gefunden hätte, nach zwei Minuten aber plötzlich abdriftet.
Textlich geht es auf FLUCHT IN DIE FLUCHT um die Stadt und die Hassliebe ihrer Bürger zu ihrem jeweiligen Kiez. Musikalisch betätigen die Sterne häufig das Bremspedal, so auch auf dem schaurig-schönen „Ihr wollt mich töten“, dem Duett mit Alexander Hacke von den Einstürzenden Neubauten. An die schrägen Hintergrundgesänge, beigesteuert von den frisch eingeschulten HS-Bands wie Zucker und Schnipo Schranke, muss man sich zwar erst einmal gewöhnen, doch sie untermauern das Stimmungsbild des Albums.
Radiohits sucht man auf dem sperrigen FLUCHT IN DIE FLUCHT zwar vergeblich, am ehesten taugt dafür noch das 100-sekündige „Mach mich vom Acker“ sowie der beschwingte Feelgood-Song „Mein Sonnenschirm umspannt die Welt“. Doch als Einheit funktionieren die zwölf Stücke einwandfrei und untermauern, dass Die Sterne noch immer zu den wichtigsten Hamburger Bands zählen.
Ohr d’Oeuvre: Ihr wollt mich töten, Flucht in die Flucht, Mein Sonnenschirm umspannt die Welt
VÖ: 29.08.2014 / Staatsakt
Tracklist:
01. Wo soll ich hingehen
02. Drei Akkorde
03. Ihr wollt mich töten
04. Menschenverachtendverliebt
05. Innenstadt Illusionen
06. Flucht in die Flucht
07. Hirnfick
08. Mach mich vom Acker
09. Miese kleine Winterstadt
10. Der Bär
11. Mein Sonnenschirm umspannt die Welt
12. Wie groß ist der Schaden bei dir?
Gesamteindruck: 7,5/10