An Heisskalt kommt man irgendwie nicht vorbei. Keine Stadt, kein Festival und keine Location ist vor den vier Jungs aus der Nähe von Stuttgart sicher. Und harte Arbeit macht sich bezahlt – inzwischen beehren sie uns mit ihrer dritten Headliner-Tour. Ein beachtlicher Erfolg für eine solch junge Band. Der Abend in Dortmund ist was Besonderes: Die Tickets für dieses Konzert waren schon früh restlos ausverkauft. Und Heisskalt bedankten sich mit einer beeindruckenden Show dafür.
Der Club im FZW Dortmund füllt sich nach und nach. Das Konzert ist zwar ausverkauft, aber ein großes Gedränge, um die erste Reihe gibt es hier nicht. Vielmehr lockt zunächst noch der Merchstand oder die Bar. Ab und an erhascht man einen Blick auf die Mitglieder von Heisskalt, die seelenruhig mit einem Bier in der Hand durch den Club schlendern und mit Crewmitgliedern quatschen. Gerade die jungen, weiblichen Fans freuen sich darüber und stehen mit nervöser Miene ganz nah, aber dennoch mit einem gewissem Sicherheitsabstand, an ihren Idolen. Perfekt – der Abend wird also nicht im Gekreische pubertierender Heisskalt-Anhängerinnen untergehen!
Um Punkt 20 Uhr ist dann aber Schluss mit der Gemütlichkeit, denn lautstark und ohne Vorwarnung beginnen The Tourist ihren Auftritt. Die drei Jungs aus Köln und Düsseldorf hauen ordentlich in die Saiten – der Club wird merklich voller, der raue Sound kommt gut an. Ein besonderes Highlight: Wer sich vorher schon gewundert hat, warum denn das Schlagzeug ganz vorne auf der Bühne steht – der Schlagzeuger der Band ist gleichzeitig auch der Sänger! Eindrucksvoll bearbeitet er sein Instrument und brüllt gleichzeitig ins Mikro. Stimmlich wird er von seinen beiden Kollegen unterstützt. Keine Frage – der hardcorelastige Sound von The Tourist eignet sich perfekt, um das Publikum auf den Rest des Abends einzustimmen. Man beobachtet wippende Köpfe und zustimmendes Nicken. Selbst Matze, Sänger von Heisskalt, und Lucas, Bassist der Band, mischen sich unter das Publikum, um den Auftritt von The Tourist nicht zu verpassen. Eher selten, dass eine Band noch mit den Fans gemeinsam feiert. Diese bodenständige Art macht die Club-Atmospähre im FZW jedenfalls komplett. Nach 30 Minuten verabschieden sich The Tourist und verlassen, unter lautem Applaus die Bühne. Ob die Jungs in Zukunft selbst als Headliner auftreten, wird sich noch zeigen müssen. Stimmung machen können sie eindeutig. Jedoch haben ihre Songs keinen hohen Wiedererkennungswert. Zu oft hat man diesen Post-Hardcore/Alternative Sound in den letzten Jahren schon gehört.
Ab 20:30 gönnt man dem Publikum eine Verschnaufpause. Eine halbe Stunde lang wird auf der Bühne umgebaut. Da holt man sich noch ein Bier an der Bar und lauscht den Klängen der Altmeister von Alexisonfire. Doch nach einer Weile schlägt die Stimmung um. Die Spannung steigt merklich. Das Publikum wird immer unruhiger. Um kurz vor neun gehen die Lichter aus. Die ersten Rufe aus der Menge ertönen. Und dann beginnt die Show. Heisskalt eröffnen den Abend mit „Identitätsstiftend“ und nehmen das Publikum von der ersten Sekunde an mit. Obwohl Sänger Matze seit Wochen gesundheitliche Probleme plagen und er nach einer Mandeloperation zehn Kilo verloren hat, lässt er sich auf der Bühne nichts anmerken, legt einen energiegeladenen Auftritt hin und das Publikum steht dem in Nichts nach. Die meisten Songs werden aus vollem Hals mitgesungen wöhrend ein gewaltiger Moshpit zum Kern des Clubs wird. Als die Stimmung auf dem Höhepunkt ist, stimmen die vier Jungs ihren bisher größten Hit an. Matze brüllt ein lautes „Hallo“ ins Mikro und ab da gibt es kein Halten mehr. Wer jetzt noch ruhig stehenbleibt, der ist hier eindeutig fehl am Platz! Neben den altbekannten Songs haben Heisskalt einige Überraschungen mit nach Dortmund gebracht. Plötzlich wird „Valhalla“ angestimmt, eigentlich ein Song der Kollegen von Fjørt. „Der Himmel brennt!“ schreit Gitarrist Phil, der für dieses Lied das Mikro übernimmt, dem Publikum entgegen. Aber auch für ruhige Momente ist gesorgt. Bei „Bestehen“ verlassen alle Bandmitglieder die Bühne. Bis auf Matze. Das Herz jedes treuen Fangirls schlägt jetzt wohl zehnmal schneller. Während seines Auftritts, entfacht ein kleines Lichtermeer vor ihm. Auf jeden Fall einer der emotionalsten Momente des Abends!
Damit es nicht in Kitsch ausartet, übernimmt ihr rockiger Sound nun wieder die Kontrolle. Passend zum Song „Bewegungsdrang“ springt Matze ins Publikum. Für eine kurze Zeit sieht man ihn gar nicht mehr, weil er in der Menschenmenge komplett verschwunden ist. Wo auch immer er sich befindet – sehr sympathisch, dass Berührungsängste mit den Fans kein Thema für die Jungs sind. Aber auch die Band lobt das Publikum. Wieder oben auf der Bühne angekommen, bringt Matze seine Freunde zum Ausdruck, dass er kaum Handys sieht, die in die Luft gehalten werden. Kein Wunder – diese intime Atmosphäre im kleinen Club möchte kaum einer durch nerviges Smartphone-Rumgefuchtel zerstören. Heisskalt haben an diesem kalten Winterabend in Dortmund alles gegeben und eindeutig überzeugt. Doch auch ein gutes Konzert findet seinen Abschluss. Mit der Zugabe „Das Bleibt Hier“ mobilisieren alle Anwesenden nochmals ihre Stimmen und singen mit Matze den letzen Song des Abends.
Um 22.15 ist dann endgültig Schluss. Dennoch erscheinen die vier Jungs nach der Show in der Eingangshalle, und nehmen sich genug Zeit, um Merch zu signieren oder Erinnnerungsfotos zu schießen. Keiner verlässt das FZW heute Abend ohne ein Lächeln im Gesicht – außer die Eltern vielleicht, die ihre Töchter und Söhne abholen müssen, aber um die geht es ja auch nicht.
Setlist:
Identitätsstiftend
Sonne über Wien
Alles gut
So leicht
Der Mond
Hallo
Nicht gewinnen
Valhalla
Kaputt
Gipfelkreuz
Bestehen
Dezemberluft
Nicht anders gewollt
Zweifel
Bewegungsdrang
Das bleibt hier
Fotos: jmc/Berbig