Großes Aufräumen im Hause Belle and Sebastian nach rund zwanzig Jahren Bandgeschichte. Dachte man bisher an die Schotten, tauchte vor dem geistigen Auge ein VW-Bus auf, der durch die schottischen Highlands stottert und die Zuhörer mit Indiefolk voller Weltschmerz verzaubert.
Die Band spielte seit jeher jenen heimeligen Indiepop-/Folk-Sound, dem Heerscharen introvertierter Waldschrate und Naturkinder in den letzten Jahren zu neuer Popularität verhalfen. Diesem Treiben schaute die Band fast vier Jahre von ihrem Olymp zu, um sich mit GIRLS IN PEACETIME WANT TO DANCE zurück zu melden.
Zu Beginn wird der Hörer in Sicherheit gewogen und mit federleichten Melodien und dem vertrauten Boy/Girl-Gesang verzaubert. „Es hat sich nicht viel geändert!“, mag man denken. Jedoch gerät diese Gewissheit spätestens beim dritten Stück („The Party Line“) ins Wanken. Songs wie die Auskopplung „Enter Sylvia Plath“ oder „Play Today“ haben wenig mit dem beschwingten Indiepop früherer Tage zu tun, sondern entführen den Hörer zurück in die 1990er und beginnenden 2000er. Sie erinnern stark an die selige „Indie Dance“-Zeit mit Bands wie St. Etienne oder Stereolab, die Gitarrenpop mit dem Dancefloor versöhnten.
Die Melodien bleiben wunderschön, die Gitarren treten jedoch hinter antiquierten Synthesizern, Streichern und Elektrobeats zurück. Verglichen mit den alten Platten der Band, nehmen die Songs einiges mehr an Pathos und Bombast auf. Diese Wandlung verläuft meist sehr erfolgsversprechend, da der Sound eher an die Anfangszeiten elektronischer Musik erinnert und ein nostalgisches, leicht antiquiertes Gefühl verbreitet. Diese dünne Schicht Patina passt wunderbar zur Nostalgie und Melancholie, die Belle & Sebastian seit jeher umgibt.
Leider verliert die Band an einigen Stellen ihre Leichtigkeit und klingt hektisch und genervt wie in „Perfect Couple“, was wie belangloser Hippieimprovisationsrock klingt. Alles in allem aber eine gelungene Neuausrichtung, mit welcher die Band jeglicher Gefahr entgeht, zur Ikone des eigenen Werkes zu verkommen. Man darf gespannt sein, ob eine Discokugel durch die Frontscheibe leuchtet, wenn sich der VW-Bus wieder in Bewegung setzt.
Ohr D´Oeuvre: The Power of Three / Play for Today/ Allie
VÖ: 16.1.2015; Matador/Beggars Group (Indigo)
01. Nobody`s Empire
02. Allie
03. The Party Line
04. The Power of Three
05. The cat with the cream
06. Enter Sylvia Plath
07. The everlasting Muse
08. Perfect Couples
09. Ever had a little faith
10. Play for today
11. The book of you
12. Today this army is for peace
Gesamteindruck: 7/10