Was haben sie nicht alle ihr Fett weg bekommen in den letzten Wochen. Ed Sheeran, Alex Turner, Kanye West und nicht zuletzt Bruder Liam. Noel Gallagher war ja noch nie zurückhaltend, wenn es ums Austeilen ging. „Into my big mouth, you can fly a plane“ bekannte er bereits 1997 und konnte es sich zum damaligen Zeitpunkt locker leisten, verbal auf dicke Hose zu machen. 2015 kann er es immer noch. Heute vielleicht sogar mehr denn je.
CHASING YESTERDAY ist eine wahrhaft großartige Platte, auf der sich nicht ein einziger schwacher Song findet, so viel sei schon mal vorweg geschickt. Wobei man beim Hören der Vorab-Single „In The Heat Of The Moment“ kurzfristig auf den Gedanken hätte kommen können, der 47-Jährige würde sich zu sehr an sein hochgelobtes Debütalbum anlehnen. Was bei „AKA.. What A Life“ funktionierte, kann ja diesmal nicht schlecht sein. Ist es auch nicht, dennoch wäre er hinter den Erwartungen zurück geblieben.
Aber so kommt es keineswegs. Nach „In The Heat Of The Moment“ holt Noel hörbar tief Luft und legt so richtig los. „The Girl With X-Ray Eyes“ weckt mit den Streichern von „The Masterplan“ schnell das Oasis-Gefühl, genauso wie „Lock All The Doors“, seine rockigste Nummer seit Langem, die er tatsächlich 23 Jahre über in der Schublade hatte. Doch er kann auch anders. Auf einem der wenigen langsamen Stücke, „The Dying Of The Light“, klingt Gallagher reifer als je zuvor. Genre-Ausflüge wie „The Right Stuff“ (Psychedelic) und „The Mexican“ (Soul) sind nicht bloß übergestreift, sondern passen perfekt. Und zu guter Letzt gibt es kein langsames Ausklingen, nein, ein dickes Ausrufezeichen mit Disco-Beat in Form von „Ballad Of The Mighty I“, auf dem kein Geringerer als Johnny Marr zur Gitarre greift.
Noel Gallagher gelingt es, mit CHASING YESTERDAY neue Pfade zu betreten und gerade nicht Vergangenem hinterher zu jagen. Gleichzeitig gibt es diese Oasis-Momente, die großen emotionsgeladenen Melodien, die ihn mit Bruder Liam einst haben abheben lassen, sie zum Kern einer der für viele Zeitzeugen bedeutendsten Rock’n’Roll-Bands machten. Schön zu wissen, dass er es auch zwanzig Jahre später noch kann. Weitaus schöner jedoch, dass er die maximale Flughöhe mit seinen High Flying Birds sicher noch nicht erreicht hat.
Ohr d’Oeuvre: The Girl With X-Ray Eyes, Lock All The Doors, The Dying Of The Light, The Right Stuff, The Mexican, You Know We Can’t Go Back
VÖ: 27.02.2015; Sour Mash (Indigo)
Tracklist:
01. Riverman
02. In The Heat Of The Moment
03. The Girl With X-Ray Eyes
04. Lock All The Doors
05. The Dying Of The Light
06. The Right Stuff
07. While The Song Remains The Same
08. The Mexican
09. You Know We Can’t Go Back
10. Ballad Of The Mighty I
Gesamteindruck: 9/10
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