Die Linksausleger von Egotronic halten auf C’EST MOI der BRD den Spiegel vor. Zwischendurch gehen sie zum Pilze sammeln in den Wald.
„Hast Du feste Arbeit oder was ist Dein Problem?“
„Heute heißt die Devise „Raven gegen Deutschland!“
„Kack Deutsche – nichts hat sich geändert – bekacktes Deutschland!“
Viel Phantasie braucht es nicht, um Egotronic politisch einzuordnen. Die Klarheit der Aussagen lässt beinahe zurückschrecken im ersten Moment. Bedeutet dies jetzt also, müde abzuwinken, die Antifa – und Antideutsche-Schublade aufzumachen, das Album reinzustecken, die Klappe zuzumachen und sich wieder in der eigenen Befindlichkeitsästhetik zu verlieren? Oder besser noch, artig und politisch korrekt mit dem Kopf nickend zuzustimmen und dann wieder das Hirn auszuschalten?
Nein, man sollte der Versuchung einer schnellen Kategorisierung widerstehen. Vielmehr kann die Platte als unbequeme Bestandsaufnahme der gegenwärtige Lage in Deutschland verstanden werden, die sich zwischen einem gewissen Sendungsbewusstsein an den Rest Europas in Sachen Sparsamkeit und Tüchtigkeit bewegt und wieder aufkommendem Fremdenhass, wie man ihn aus den 1990ern kennt. Egotronic gehören zu den Bands, die den Finger genau auf diese seltsame Mixtur aus Fremdenhass und Selbstüberschätzung legen. Den Höhepunkt erreicht die textliche Bestandsaufnahme in dem bereits oben zitierten „Exportschlager Leitkultur“, welches eine dreiminütige Abrechnung mit dem Lieblingsthema aller tiefschwarzen Erzkonservativen ist. Musikalisch ist die Band dabei straighter als viele ihrer Audiolith-Labelkollegen. Die Basis des Albums bildet Deutschpunk, der an Slime oder …But Aliv erinnert und mit HipHop- und Elektroclashelementen angereichert wird. Leider wirkt diese Mischung auf voller Albumlänge ermüdend und man stumpft das Hörvergnügen ab. Aufgelockert wird das Ganze an den Stellen, an denen Egotronic beweisen, dass sie durchaus etwas von Ironie verstehen und auch vor poppigen Strukturen nicht zurückschrecken, um ihre Botschaft zu transportieren. Beste Bespiele sind die kommenden Antifa-Party-Kracher „Die richtige Einstellung“ oder „Raven gegen Deutschland“. Auch das an Fehlfarben erinnernde „Die Partei hat immer recht“ lockert die Stimmung des Albums merklich auf. Egotronic treten dem Hörer mit C‘EST MOI lyrisch gehörig in den Allerwertesten und bieten ihm Gelegenheit, die Stimmung bei sich und im Land kritisch zu reflektieren. Glücklicherweise vergessen sie dabei das Partymachen nicht.
Ohr d’Oeuvre:
Die richtige Einstellung / Die Partei hat immer Recht/ Was solls (feat. Rüde & Yari)
VÖ: 15.4.2015 – Audiolith (Broken Silence)
Tracklist:
01. Was solls (feat. Rüde & Yari)
02. Maybe Someday
03. Rannte der Sonne hinterher
04. Die richtige Einstellung
05. Berlin Calling
06. Raven gegen Deutschland
07. Toleranz
08. Exportschlager Leitkultur
09. Möllewahn
10. Die Partei hat immer Recht
11. Von nichts gewusst
12. Pilze
Gesamteindruck:
6,5/10