SOL INVICTUS steht – völlig losgelöst von der Vergangenheit – für sich selbst und für eine Band, deren Mitglieder sich in den letzten 18 Jahre konstant weiterentwickelt haben.
Viele, nicht selten mit dem Sticker „legendär“ versehene Bands kriechen derzeit aus der Versenkung. Sei es, um diverse Jubiläen zu feiern, sei es, um wieder Geld zu verdienen. Auf einige Reunions freut man sich sogar und sieht den neuen Veröffentlichungen mit Spannung entgegen, auch wenn Skepsis und Zweifel oft nicht weniger Raum einnehmen.
Natürlich ist die Erwartungshaltung an eine Band wie Faith No More mindestens genauso hoch wie der daraus entstehende Druck für die Band selbst. „Es wird ganz anders als alles andere da draußen – aber das ist ja auch irgendwie der Punkt“, sagte Bassist Billy Gould. Da hat der Mann ohne Zweifel recht. SOL INVICTUS ist ganz anders. Wer hier ein THE REAL THING oder ANGEL DUST V.2k15 erwartet, dürfte ziemlich enttäuscht sein. SOL INVICTUS bedient keines der beiden Alben. Auch lassen Faith No More dieses Mal keine so extrem deutlichen Reminiszenzen zu, wie noch auf den letzten beiden Veröffentlichungen. SOL INVICTUS steht – völlig losgelöst von der Vergangenheit – für sich selbst und für eine Band, deren Mitglieder sich in den letzten 18 Jahre konstant weiterentwickelt haben. Im Grunde perfekt! Faith No More hätten es nicht besser anpacken können. Und dennoch hinterlässt der erste Hördurchlauf einen ernüchternden Eindruck.
Das Album startet mit dem sehr reduzierten Titeltrack, der weder als Intro noch als Song richtig funktioniert. Selbiges gilt für das nachfolgende, mit wuchtigen Piano-Parts versehene „Superhero“, das wie mit angezogener Bremse agiert und nicht von der Startlinie wegkommt. Erst „Separation Anxiety“ lässt aufhorchen. Der Track beginnt düster, verstörend, basslastig und dreht dann endlich mal ein bisschen auf. Ziemlich cool. Dem gleichen Schema folgt „Cone Of Shame“, das in der zweiten Hälfte erst um einiges heftiger und wuchtiger und dann schon fast progressiv wird. Die Gitarren haben hier sogar einen dezenten Black-Metal-Touch. Eben diese Gitarren und das bereits erwähnte Piano kulminieren im epischen „Matador“. „Motherfucker“ wiederum erklärt sich quasi von selbst – ein Klassiker aus Marschmusik und rap-artigem Gesang. Grob, laut und politisch. So wie man die Kalifornier kennt und liebt.
Insgesamt ist SOL INVICTUS fast schon düster, sehr atmosphärisch und von der Geschwindigkeit her verhalten. Als hätten Faith No More zuviel Beastmilk gehört. Auch die Produktion hätte noch einiges an Druck und Power vertragen können. Natürlich pendeln die Gründerväter des Crossover immer noch zwischen den Genres (z.B. „Rise Of The Fall“), aber längst nicht mehr so weit gesteckt und extravagant, wie auf früheren Veröffentlichungen.
SOL INVICTUS braucht seine Zeit, man muss sich mit dem Album beschäftigen, dann entwickelt es mehr und mehr seinen Reiz. Der große Wurf mag das vielleicht nicht sein, dennoch ein vielversprechender Neuanfang mit einer neuen und spannenden musikalischen Richtung.
Ohr d’Oeuvre: Matador / Motherfucker / Separation Anxiety
VÖ: 15.05.2015 / Reclamation Recordings
Tracklist:
01. Sol Invictus
02. Superhero
03. Sunny Side Up
04. Separation Anxiety
05. Cone Of Shame
06. Rise Of The Fall
07. Black Friday
08. Motherfucker
09. Matador
10. From The Dead
Gesamteindruck: 7.5/10