Es sind nur vier Deutschlandkonzerte der Villagers und Köln ist dabei: Im sehr gut gefüllten Gebäude 9 gibt es heute alle Tracks des neuen Albums DARLING ARITHMETIC und viele Glanzstücke (u.a. „Little Bigot“ und „Waves“) aus der Vergangenheit – neu interpretiert und perfekt integriert.
Und es wird ein glänzender Abend. Villagers ist Conor J. O’Brien und er transponiert mit vier Musikerkollegen (Akustikgitarre, Kontrabass, Keyboard, Harfe, Flügelhorn und Schlagzeug) das von ihm im Alleingang eingespielte neue Album genial in das bestmögliche Live-Erlebnis. Das Gebäude 9 präsentiert die Villagers unter besten Bedingungen: Der Sound ist fantastisch und die minimalistische Lichtregie für die Iren maßgeschneidert.
THE IMMEDIATE, die Platte, welche O’Brien mit seiner gleichnamigen ersten Band aufnahm, wurde seinerzeit als eines der besten irischen Debüt-Alben seit „Boy“ von U2 bezeichnet – eine Erwartungshypothek, an der die Band schließlich zerbrach. Heute Abend wird klar, dass der Musikwelt nichts verloren ging. DARLING ARITHMETIC, ein Konzeptalbum über Liebe und enttäuschte Erwartungen in sich selbst und in andere, erfüllt auch live höchste Erwartungen.
O’Brien trägt mit sanfter, präziser und flexibler Stimme filigran komponierte Songs mit suggestiven, poetischen Texten vor, die dennoch den Eindruck großer Kraft vermitteln. Die Tracks changieren zwischen fast a-capella und üppigen, beinah an Filmmusik erinnernde Passagen – manchmal sogar innerhalb eines Songs! O’Brien führt mal mit einem langen Intro (nur von ihm selbst mit Picking auf der Gitarre begleitet) das Publikum eine Weile an der Nase herum, bevor es endlich freudig „Waves“ wiedererkennt (… wiedererkennen darf) und bejubelt. Die folgende Neuinterpretation ist ein Höhepunkt des Abends – uptempo und schließlich in einem Breitwand-Sound, bei dem man kaum glauben kann, dass da nur fünf Leute auf der Bühne stehen. Von den Zuhörern vermisst hier keiner das Original – besser kann man einen Hit nicht am Leben halten.
Zuweilen geht es auch deutlich Richtung Sentiment. Im Ganzen wirkt O’Briens Vortrag aber so abgezirkelt (die suggestiven, offenen Texte tragen viel dazu bei), dass sich der Eindruck „viel Indiepop mit reduzierter Folk-Elternschaft“ hält.
Nach zwei, drei Songs entsteht eine Verbindung zwischen dem zuerst ein bisschen reservierten Künstler und dem Publikum. Sie ist der offenen Begeisterung der Zuhörer geschuldet. Es gibt jetzt Songansagen und Nettigkeiten Richtung Audience (für das geduldig abgewartete längere Stimmen einer Gitarre bedankt man sich mit „Very loyal!“). Man hängt an O’Briens Lippen. Einmal sagt er leise „thank you“, damit sich die versunkenen Fans nach einem stilleren Song wieder zu applaudieren trauen. Der Jubel ist dann allerdings so groß, dass O’Brien das Gejohle mal ganz kurz nachmacht …
Der Auftritt endet auf traditionelle Art und Weise: Hier werden noch Zugaben verlangt und gegeben (u.a. „Becoming a Jackal“ und das großartige „Courage“). Die Energie zwischen Band und Publikum hält bis zum Schluss und ein magischer Auftritt geht leider dann doch zu Ende. Für das neue, aufwendig produzierte Album DARLING ARITHMETIC wird oft der Genuss per Kopfhörer empfohlen: Einen Live-Auftritt der Villagers sollte man sich aber auf keinen Fall entgehen lassen. Es steht nur zu hoffen, dass es auch mal zu einer DVD zur Tour kommt. Der heutige Abend im Gebäude 9 wäre dafür perfekt gewesen.
Setlist
Darling Arithmetic
Set the Tigers Free
Dawning On Me
Nothing Arrived
So Naive
No One To Blame
That Day
Everything I Am Is Yours
Memoir
My Lighthouse
The Soul Serene
Hot Scary Summer
Little Bigot
The Waves
Ship of Promises
Encore:
Becoming a Jackal
Pieces
Courage