Bereits Anfang Juni meldete sich Marcus Wiebusch via Facebook zu Wort, um mitzuteilen, wie sehr er sich auf seinen Auftritt beim 32. HALDERN POP FESTIVAL im beschaulichen Lindendorf am Niederrhein freue. Er begründete dies damit, dass es sich beim „Haldern“ um eines der besten Festivals Deutschlands handelt. Einspruch, Herr Wiebusch! Nach reiflicher Überlegung und bei Betrachtung der Bands und Erlebnisse der vergangenen Haldern-Jahre kommt man zu der Erkenntnis, dass es sich – was Vielfältigkeit, Atmosphäre, Gemütlichkeit und Organisation angeht – zweifelsohne um DAS beste Festival Deutschlands handelt.
Beschäftigt man sich mit allen bis dato 62 bestätigten Künstlerinnen, Künstlern und Bands, so kann man konstatieren, dass es sich um das vielseitigste Line-Up der letzten Jahre handelt. Von Punk über Jazz bis hin zum Trip Hop, von Dub bis Dark Folk, von klassischem Folk über Deutsch Punk, von Singer-/Songwritern über schnodderigen LoFi, von der Folk Pop Klassenfahrt bis hin zu elektronischem Artrock, von allem ist etwas zu finden. Dabei ist die Auswahl der Künstler keineswegs wahllos, sondern gespickt von Perlen, die im Nachgang des Festivals für Furore sorgen werden.
Nachdem mit dem sechsten und letzten Trailer das endgültige Billing bestätigt wurde, war die einhellige Meinung in den sozialen Netzwerken, dass Stefan Reichmann und sein Team es geschafft haben, ein sehr „rundes Line-Up“ auf die Beine zu stellen. Eine Formulierung, die recht abstrakt, nichtsdestotrotz gerade in diesem Jahr umso zutreffender ist. Rund bedeutet in diesem Fall, dass kein Künstler für sich in Anspruch nehmen kann, der absolute Headliner zu sein. Sicherlich gibt es Bands der bekannteren Sorte oder aber auch Bands, die bereits zum zweiten oder dritten Mal den alten Reitplatz beehren, aber keine dieser Gruppen sticht heraus, sondern alle zusammen, alle die bereits genannten Genres, runden dieses Line-Up zu einem äußerst gelungen ab.
Aus den USA kommt der blutjunge Singer-/Songwriter und Pianist Tor Miller. Wer Hozier oder auch Sam Smith mochte, wird Tor Miller lieben. Große Melodien, tolle Stimme. Wenn es nicht mit dem Teufel zugeht, wird man von diesem jungen Mann in den nächsten Jahren noch viel hören.
Wer es etwas experimenteller mag, ist bei den Grandbrothers genau richtig. Was die zwei Wahl-Bochumer Erol Sarp und Lukas Vogel mit ihrem Klavier, Laptop und anderen Apparaturen an Klängen zaubern, bildet eine atemberaubende Symbiose von Analogem und Digitalem.
Aus dem schwäbischen Sindelfingen kommen die Jungs von Heisskalt an den Niederrhein. Heisskalt spielen ungestümen Deutsch Punk, vergleichbar mit den frühen Adolar. Mutig und begrüßenswert vom Veranstalter, sich dieser aufstrebenden Szene zu öffnen. Auf alle Fälle ein guter Kontrast zum ruhigen Folk Pop vieler anderer Bands auf dem Haldern.
Ähnlich wild und laut geht es bei den Dänen von Iceage zu. Um die Live-Performance des Post-Punk-Vierers aus Kopenhagen ranken sich Mythen, von denen man sich auf dem alten Reitplatz tunlichst selbst überzeugen sollte.
Auch was das weite Feld der elektronischen Musik angeht, ist das Haldern in diesem Jahr hervorragend aufgestellt. Nicht verpassen sollte man die Isländer Kiasmos, bestehend aus Ólafur Arnalds und Janus Rasmussen. Mit ihren sphärischen, elektronischen Klängen werden sie das Spiegelzelt verzaubern.
Ebenfalls elektronisch, aber nicht so sphärisch wie Kiamos, sondern tanzbarer, sind die Belgier von Magnus. Bei Magnus handelt es sich um das Sideproject von dEUS Frontmann Tom Barman und CJ Bolland. Auf ihrem 2014 Album „Where Neon Goes To Die“ arbeiteten sie u.a. mit Tom Smith von den Editors, Selah Sue und bei der Alternative-Version der Single Singing Man mit Mark Lanegan zusammen.
Wer erinnert sich nicht gern an HONIG im letzten Jahr auf der Hauptbühne. Obwohl der gute Stephan Honig in diesem Jahr nicht im Line-Up zu finden ist, braucht das Haldern-Publikum nicht komplett auf HONIG zu verzichten. Er kommt nämlich mit seinen Freunden von Towns of Saint, Tim Neuhaus, Ian Fisher und Jonas David zurück an den Niederrhein. Bei der Tour of Tours handelt es sich um so etwas wie eine Folk-Pop-Klassenfahrt. Alle singen die Stücke aller, mit größter Inbrust und größtmöglichem Spaß. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, schaue sich das Video des HONIG-Songs Golden Circle vom letzten Jahr an und man weiß halbwegs, was Tolles auf einen zukommt.
Die Überraschung des Festivals könnten die Jungs von The Bronze Medal werden. Wundervoller Indie, der manchmal an Frightened Rabbit, manchmal auch an The National erinnert. Ihr Debut „Darlings“ lässt auf alle Fälle Großes erwarten.
Einer, wenn nicht DER Höhepunkt des Festivals, dürfte der Auftritt von The Slow Show zusammen mit dem Cantus Domus Chor und dem stargaze Orchester werden. Allein die Vorstellung, die Band um Ausnahmesänger Rob Goodwin mit Chor und Orchester in der Dunkelheit auf der von Bäumen umgebenen Hauptbühne zu sehen, sorgt für dermaßen viel Vorfreude, dass man am liebsten die Zeit vordrehen würde. Ein Auftritt, den man auf gar keinen Fall verpassen sollte.
Diese Auswahl stellt nur einen klitzekleinen Ausschnitt des vielfältigen Programms des HALDERN POP FESTIVAL 2015 dar. Neben den vorgestellten Bands gibt es noch Unmengen toller bekannter und weniger bekannter Acts zu entdecken. Eins sollte dabei jedoch nicht zu kurz kommen: das Bier mit den Freunden, die Abkühlung im See oder das Fußballspiel mit den Kindern aus dem Dorf. Denn das Besondere in Haldern ist nicht nur die Musik, sondern vielmehr die Zusammenkunft der Festivalbesucher mit der engagierten Dorfgemeinschaft und die Entschleunigung, zu der das idyllische Fleckchen Niederrhein eine großen Teil beiträgt.