Happy Weekend oder Schlüsselloch. Das Herrenmagazin aller Zeitschriften bietet mit der SIPPENHAFT-Ausgabe lang anhaltenden Genuss, der sich nicht unter der Ladentheke verstecken muss.
Die „Frösche“ pfiffen es bereits von den Dächern. Nach dem Wechsel von der sanft entschlummerten Szene-Instanz UNTERM DURCHSCHNITT zum absoluten Weltklasse-Independent-Label GRAND HOTEL van CLEEF war der Weg frei für das vierte Album des Herrenmagazins. Wer sich also nicht bereits abgewandt hatte, nachdem er sich selbst im „Pelikan“-Video wiedersah, hoffte auf einen weiteren Geniestreich der vier Hamburger.
Und wird dann direkt in SIPPENHAFT genommen. Denn ähnlich wie im thematischen Überbau aus familiärer Erbsünde und tradierten Erwartungshaltungen des Gemeinschaftskollektivs „Verwandtschaft“ geht es hier um die Auseinandersetzung des Fans mit den altbekannten Trademarks seiner Lieblingsband, die ihn seit Jahren erfreuen aber auch durch Vorhersehbarkeiten und Erwartungen gefangen nehmen können. Auf der anderen Seite gerät man auch als Musiker schnell in eine Bringschuld, gewisse Markenzeichen zu erfüllen, damit die Klubs anschließend möglichst lange Selbiges tun.
Der weit geschätzte intellektuelle Anspruch Herrenmagazins wird bei SIPPENHAFT allerdings weder durch Sänger Deniz Jaspersens Ellenbogenschoner im neuen Video noch durch die der limitierten Erstauflage beigelegten Brillenputztücher betont. Vielmehr sind es die nachdenklich zweifelnden Texte, die nicht nur Muttersprachler berühren.
Und dann sind da halt noch die Melodien. Verdammt, diese Melodien. Erst plätschern sie vergessen im Hintergrund vorbei und am nächsten Morgen ertappt man sich selber, wie man sie auf dem Fahrrad Richtung Arbeit unbewusst summt: „Ach zum Teufel, zum Teufel mit der Zuversicht.“ LaLaLa.
Und so kann man dann am Ende doch nichts anderes tun, als in aller Öffentlichkeit zu seinem Herrenmagazin zu stehen und sogar anderen davon zu erzählen. Denn im Gegensatz zu Happy Weekend oder Schlüsselloch riskiert man hier zu keiner Zeit einen Gesichtsverlust.
Ohr d’Oeuvre:
Käferlicht / Halbes Herz / Ehrenwort / Gärten / Zum Teufel / Zwischen den Tälern
VÖ: 07.08.2015 – Grand Hotel van Cleef (Indigo)
Tracklist:
01. Ehrenwort
02. Halbes Herz
03. Alles so bekannt
04. Sippenhaft
05. Gärten
06. Zum Teufel
07. Reißt mich zusammen
08. Wir bluten aus
09. Käferlicht
10. Zwischen den Tälern
11. Bis du mir glaubst
Gesamteindruck:
8/10