Nachdem es nun über ein halbes Jahr etwas ruhiger war um JMC, melden wir uns zurück mit dem nahezu schon traditionellen Vorbericht zum Haldern Pop Festival 2016. Es sind unter anderem diese Festivals mit ihren vielen noch unentdeckten Bands und innovativer, mutiger Musik, die in den letzten Wochen und Monaten den Gedanken haben reifen lassen, dass es gar keine Alternative zum Weitermachen gibt. Die Liebe zur Musik, der Entdeckergeist, das Fachsimpeln nach Konzerten – all dies hat uns im letzten halben Jahr so sehr gefehlt, dass es für uns nur logisch ist, unser kleines, aber feines Internetmagazin weiterzuführen. Warum genau jetzt? Warum mit dem Vorbericht zum Haldern Pop? Weil wir dieses Festival recht lange begleiten durften und weil dieses Festival für vieles steht, was auch uns antreibt, uns mit Musik zu beschäftigen: Innovativ sein, ohne Bewährtes aus den Augen zu verlieren. Den Fokus auf die Musik und nicht auf Hypes und Marketingmaschinerien legen. Von dem, was man tut, überzeugt sein, auch wenn der Gegenwind mal stärker wird. Und bei all dem die Leser und deren Interessen in den Mittelpunkt stellen. Wir wollen uns nicht anbiedern und wir wollen kein Promomagazin für Plattenfirmen sein. Wir wollen einfach nur das tun, was wir am liebsten tun – begeistert sein, wenn uns neue Musik begeistert, kritisch sein, wenn uns Herzensbands enttäuschen und dies mit den Leuten teilen, die unsere Meinung interessiert.
Das diesjährige Haldern Pop Festival setzt ein klein wenig mehr auf bekannte Namen bei den sogenannten Headlinern, als dies im letzten Jahr der Fall war. Wobei gerade am beschaulichen Niederrhein eher nicht in Headliner-Kategorien gedacht wird. Eine Tatsache, die sich Jahr für Jahr am Festivalposter ablesen lässt. Statt die auftretenden Künstler nach ihrem Bekanntheitsgrad zu positionieren, werden diese beim „Haldern“ einfach in alphabetischer Reihenfolge geordnet. Auch wir werden uns bei unserer freudigen Vorschau auf das 33. Haldern Pop Festival eher mit den noch nicht bekannten, aber unbedingt sehenswerten Künstlern beschäftigen.
Die inzwischen schon liebgewonnene Tradition, Bands aus dem PostPunk Genre zu buchen, setzen die Festivalmacher 2016 mit der Band Algiers fort. In Atlanta aufgewachsen, bezeichnet sich die Band um Sänger und Texter Franklin James Fisher heute als heimatlos. Diese Ungebundenheit bezieht sich bei Algiers nicht nur auf ihre bandeigene geographische Verortung, sondern auch auf den Mix verschiedenster Musikstile. Man hat den Eindruck, die Band fühlt sich in keinem Musikstil zu Hause, verbindet die Stile von Punk über Gospel zum Soul jedoch so atemberaubend, dass die musikalische Heimatlosigkeit der Brandbeschleuniger ist, der das Trio derart einzigartig macht.
Algiers – Freitag 12.08.2016 – Hauptbühne
In eine musikalisch ähnliche Kerbe schlagen Die Nerven aus Stuttgart. Ihre Auftritte beginnen oftmals verhalten, mit punkigem Geschrammel und ausufernden Instrumentaljams und entwickeln sich zu furiosen Postpunk Shows, bei dem das Trio dem Publikum viel abverlangt, welches, so es sich auf die Band einlässt, ein schweißtreibendes und beeindruckendes Konzerterlebnis bekommt. So geschehen auf dem diesjährigen Orange Blossom Festival. Nach zunächst Orange Blossom-typischen, zurückhaltenden Publikumsreaktionen, entwickelte sich der – laut Festivalchef Rembert Stiewe – größte Moshpit, den das OBS je gesehen hat.
Die Nerven – Freitag 12.08.2016 – Hauptbühne
Ebbot Lundberg aus Schweden kann man durchaus als Haldern Veteran bezeichnen. Stand er doch bereits viermal mit The Soundtrack of our Lives sowie mit seinem Projekt Ebbot Lundberg and Trummor and Orgel auf der Bühne des altehrwürdigen Reitplatzes. In diesem Jahr hat der inzwischen 50jährige Prediger des Rock’n’Souls mit den Indigo Children eine fünfköpfige, blutjunge Band im Schlepptau, die ihn mit TSOOL bereits als Vorgruppe begleitet und mit der er im Frühjahr das Album „For The Ages To Come“ veröffentlicht hat. Wer Ebbot Lundberg kennt, weiß, dass einen nicht weniger als eine Psychedelic Rock’n’Soul Messe erwartet, nach der die Kirchgänger geläutert und beseelt das Spiegelzelt verlassen werden.
Ebbot Lundberg and Indigo Children – Samstag 13.08.2016 – Spiegelzelt
Besonders gespannt sein darf man auf den Auftritt von Loney Dear. Gleich zweimal tritt der Komponist und Multiinstrumentalist Emil Svanängen am zweiten Augustwochenende im Lindendorf auf. Dabei sollte man ganz besonders den Auftritt in der Kirche zusammen mit dem stargaze Orchester nicht verpassen. Auch wenn man Loney Dear bereits des Öfteren auf dem Haldern Festival gesehen hat, schafft Emil Svanängen es immer wieder, das Publikum in seinen Bann zu ziehen. So geschehen auf dem Schwester-Festival, dem Kaltern Pop in Südtirol im letzten Herbst. Was der Schwede im Vereinshaus zusammen mit einem Teil des stargaze Orchesters auf die eigens mitgebrachte Bühne gezaubert hat, ließ die Anwesenden mit offenen Mündern und glasigen Augen zurück. Schier unglaublich, wie eine Band, bestehend aus zwei Musikern, zusammen mit fünf weiteren Orchestermusikern eine derart magische Stimmung in einen Konzertsaal zu zaubern vermag. Spätestens als Festivalmacher Stefan Reichmann Svanängen nach der After Show Party im Kulturbahnhof Kaltern mit den Worten: „See you at the Festival in August“ verabschiedete, war klar, dass diese Magie dem Haldern Publikum 2016 nicht vorenthalten werden sollte.
Loney Dear – Donnerstag 11.08.2016 – St.Georg Kirche Haldern
Freitag 12.08.2016 – Hauptbühne
Mit Jason Isbell kommt ein Künstler nach Haldern, der mit seinen Folk- und Americanasongs einen Musikstil vertritt, der von nicht wenigen als völlig tradiert und uninteressant abgetan wurde. Durch Künstler wie Frank Turner, John Moreland, Chuck Ragan oder eben Jason Isbell wurde dieser Stil jedoch erfolgreich aus der Mottenkiste der Musikgeschichte befreit und findet seitdem gerade bei jüngeren Musikliebhabern immer mehr neue Fans. Dies liegt sicherlich auch daran, dass sich gerade die neuere Künstlergeneration politisch recht klar gegen Vorurteile und Rassismus positioniert und dem Musikstil so ein wenig den Beigeschmack des uramerikanisch Konservativen nimmt. Freunde handgemachten Singer-/Songwriter-Folks sollten sich Samstag im Spiegelzelt einfinden. In seiner amerikanischen Heimat wäre man glücklich, Jason Isbell nochmal in einem so kleinen Rahmen sehen zu können – zählt er dort doch zu den Superstars der Folk- und Americana-Szene.
Jason Isbell – Samstag 13.08.2016 – Spiegelzelt
Dass Postrock auf dem Haldern Pop funktioniert, haben Explosions in the Sky und Codes in the Clouds in der Vergangenheit eindrucksvoll bewiesen. Die Veranstalter gehen mit Jambinai aus Südkorea noch einen Schritt weiter. Jambinai verbinden traditionelle koreanische Instrumente mit Gitarrenwänden und Freejazz Elementen. Was sich zunächst exotisch anhört, entfaltet live eine Wucht und Intensität, die schier unglaublich ist. Was bereits auf dem Glastonbury und dem Primavera Festival für wahre Begeisterungsstürme gesorgt hat, wird in der intimen Atmosphäre des Spiegelzeltes eines der Festivalhighlights werden – versprochen!
Jambinai – Freitag 12.08.2016 – Spiegelzelt
Köln, die Stadt, in der die Schwelle zwischen musikalischem Hype und völliger Bedeutungslosigkeit besonders niedrig ist, wusste bereits Anfang 2013, dass mit der Band WOMAN eine Band auf sich aufmerksam macht, bei der aus Hype eventuell eben nicht Bedeutungslosigkeit, sondern Aufmerksamkeit über die Stadtgrenze der Domstadt hinaus werden könnte. Spätestens nach ihrem ausverkauften Auftritt im Mai 2013 im klubgenau in Köln-Kalk, war den dort Anwesenden klar, dass WOMAN nicht irgendein Hype sind, sondern, dass man es mit großartigen Musikern zu tun hat, die zudem noch ein ausgesprochen gutes Gefühl für Songwriting besitzen. Nach 2013 wurde es dann erstmal ruhig um das Trio. Marvin Horsch stieg aus der Band aus und Carlos Hufschlag wurde, nachdem er bereits für den Song IZER am Mikrofon stand, festes Mitglied bei WOMAN. Drei Jahre später scheint nun endlich das zu passieren, was nicht wenige dem Kölner Trio prophezeit haben. Nach ihrer ersten EP „Fever“ sind die Jungs bei einer der angesagtesten Bookingagenturen des Landes untergekommen und so in der Lage, nach Köln auch den Rest der Republik von ihrem außergewöhnlichen Talent zu überzeugen.
WOMAN – Donnerstag 11.08.2016 – Haldern Pop Bar
Lag das Hauptaugenmerk des Haldern Pop Festivals in den ersten Jahren nahezu ausschließlich auf Gitarrenmusik, hat es sich seit den frühen 2000’er Jahren immer mehr für andere Musikrichtungen geöffnet. HipHop ist eine der Musikrichtungen, die man trotz der musikalischen Offenheit des Festivals eher selten auf dem alten Reitplatz antrifft. Mit The Lytics aus Winnipeg in Kanada erweist sich ein HipHop-Familienunternehmen die Ehre, das im Fahrwasser von Bands wie The Roots, The Pharcyde oder Jurassic 5 anzusiedeln ist. Wer sich ein wenig mit HipHop auskennt weiß, dass die genannten Bands als Referenz nicht die schlechtesten sind. Dabei geht es den Brüdern Andrew und Anthony Sannie nicht darum, sich in irgendwelchen Battlerhymes zu verlieren oder irgendein Image zu kreieren, sondern vielmehr darum, sich gesellschaftspolitisch relevante Reime zum Beat von Cousin Alex Sannie hin und her zu werfen. Das wirkt sehr frisch und aufgeräumt und funktioniert bei hoffentlich bestem Sommerwetter hervorragend als Samstagsopener auf der Mainstage.
The Lytics – Samstag 13.08.2016 – Mainstage
Die Band Husky hat sicherlich den längsten Anreiseweg an den Niederrhein. Aus dem fernen Australien, genauer aus Melbourne, kommt die Band von Mastermind Husky Gawenda ins Lindendorf Haldern, um das Publikum mit ihrem Indie Rock zu verzaubern. Dies gelang ihnen bereits 2015 auf dem Orange Blossom Festival ganz ausgezeichnet, was sich in Kreisen der Indie-Fans herumgesprochen haben dürfte. Darüber hinaus hat sich die Band, die übrigens die erste australische Band auf SUBPOP ist, als Support von u.a. Neil Young und City and Colour eine nicht unbedeutende Fanschar erspielt. Es könnte also voll werden am Freitag im Spiegelzelt.
Husky – Freitag 12.08.2016 – Mainstage
Wie immer handelt es sich bei der Auswahl der Bands, um die Künstler, auf die wir uns besonders freuen. Dabei hoffen wir, dem ein oder anderen einen kleinen Tipp geben zu können, welche bis dato noch nicht so bekannte Band nach dem Festival eine Lieblingsband sein könnte. Neben den genannten gibt es noch unzählige tolle Künstler auf dem Haldern Pop zu entdecken. Lasst euch nicht abschrecken, wenn die Schlange am Spiegelzelt mal etwas länger ist oder Petrus den Besuchern mal wieder den niederrheinischen Landregen näherbringen will. Oftmals entwickeln sich in diesen Situationen die Momente eines Festivals, von denen man sich noch lange erzählt. Wir sehen uns im August auf dem Alten Reitplatz.