Am gefühlt wärmsten Tag der letzten 30 Jahre stand das nächste c/o Pop – Event an. Mit einer vielversprechenden Mischung aus Sixties, Indie und Schrammelpop. Auch wenn die drei Bands Pauw, Rats on Rafts und Isolation Berlin auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, interpretieren doch alle Drei, ältere Spielarten der Gitarrenmusik für sich neu und tragen sie einer nachwachsenden Hörergruppe an. Schon beim Ankommen wird klar, dass der Großteil der Besucher wegen Isolation Berlin gekommen ist. Spielten sie vor einem halben Jahr noch im kleinen Zakk in Düsseldorf, darf es jetzt schon das Gloria sein.
Den Anfang machen die Niederländer von Pauw. Sodann Frischetücher ausgepackt und das Cornetto in die Hose zum Kühlen und ab vor die Bühne. In Deutschland noch Newcomer, führte der stark psychedelisch angehauchte Dream – Pop die Vier in den Niederlanden bereits auf die Nummer eins der Vinyl Charts. Die Niederlande scheinen sowieso ein Refugium für Musikstile zu sein, die hierzulande eher in Vergessenheit geraten sind. Der Mittelpunkt der Band ist Sänger Brian Pots, im Glitzer T-Shirt und hautenger Jeans. Schlösse man die Augen, wüsste man nicht genau, ob es sich um eine weibliche oder männliche Stimme handelt, zu androgyn ist der Gesang. Anderer optischer Höhepunkt ist ganz klar Drummer Rens Ottink. Mit Brian Jones Gedächtnisfrisur, karierter Schlaghose, wirkt er als habe er sich direkt aus dem Swinging London in diese Jahrhundert gebeamt. Der Auftritt beginnt relativ verhalten mit gefälligem Dreampop, der vor allem durch die Hammond Orgel getragen wird. Pots versucht mit rudimentären Deutschkenntnissen das Publikum einzubinden, wirkt aber noch verschüchtert. Zum Glück löst sich dies im Laufe des Auftritts auf. Ein wenig erinnert alles an die seeligen Kula Shaker oder ein wenig an Tame Impala. Glücklicherweise hat die Band das Talent den gefälligen Soundteppich durch vereinzelte Gitarrenattacken oder Rhythmuswechsel zu durchbrechen, die verhindern, dass es allzu gefällig wird. Gerade zum Ende nimmt der Auftritt Fahrt auf und er hätte ruhig noch etwas länger dauern können. Ein, zwei Hacker im Songwriting, so geschehen manche Soundwechsel bei den Tasteninstrumenten nicht ganz harmonisch, aber es bleibt spannend zu beobachten, wo es die Gruppe hin verschlägt.
Zur eigenen Schande fröhnt man zu lang der mehr oder weniger frischen Luft vor dem Gloria, so das einige Lieder der Rotterdamer Rats on Rafts verpasst werden. Keine Performance für Orthopäden. Bringen die Vier ihren energischen Garagen Indie doch vornehmlich in gebückter Haltung zur Darbietung. Ein ungestümer Sound und eine erfrischend, ungestüme Performance, als würden die frühen Sonic Youth sich auf Red Bull mal richtig gehen lassen oder die Subways einfach nochmal eine Schüppe drauf legen. Vor allem Drummer Joris Frowein bearbeitet seine Drums als wolle er sie kurz und klein hauen. Anders als Pauw wird hier eher dem schweißtreibenden, chaotischen Noise – Indie und Power – Pop der 1980er gefröhnt, der immer durch einfache Melodien, pure Energie und immer wieder unvorbereitete Lärmausbrüche besticht und einfach zeitlos bleibt. Ein kurzweiliger Auftritt, der Lust auf das im Oktober erscheinende neue Album macht und in Selbstgeißelung endet, dass man ihn nicht ganz verfolgt hat.
Anschließend betreten Isolation Berlin die Bühne. Das Gloria hat sich inzwischen merklich gefüllt und die Laune pendelt zwischen Spannung und Vorfreude. Das Korsett des Sets bilden Hits wie „Alles Grau“, „Annabelle“ oder das wunderbar Rio Reiserische „Fahr weg“, bei denen fast eine Volksfeststimmung entsteht. Die Mischung aus Indifferenz und Rotzigkeit, verkörpert die Band so gekonnt wie wohl keine zweite zurzeit. Angsteinflössender Mittelpunkt ist Sänger Tobias Bamborschke. Angsteinflößend deshalb, weil es kaum einen Frontmann gibt, der die Konzertsituation so ins Gegenteil verkehrt wie der Isolation Berlin Sänger. Er beobachtet das Publikum, anstatt dieses ihn. So wandert sein Blick während des Singens immer wieder durch die Reihen, als wolle er die Reaktion der Leute bewerten. Ein wenig läuft es da kalt den Rücken runter. Insgesamt wirkt die Band nicht wirklich interessiert an diesem Abend. Die Kommunikation mit dem Publikum beschränkt sich auf ein Minimum und besteht meist aus englischen Ansagen, die in irgendeiner Form ironisch sein sollen. Auch wirken viele der lauteren und schnelleren Lieder, bei denen der Mützenträger Bamborschke seine Gitarre zur Seite legt, dahin gerotzt, ohne großes Interesse am Hier und am Jetzt. Wirklich ansprechend ist lediglich der Abschluss mit „Isolation Berlin“, in welchem man die Verlassenheit und vielleicht die Großstadteinsamkeit, aus welcher der Song entstanden ist, nachvollziehen kann. Dies versöhnt dann doch, auch wenn das „Aquarium“ – Lied schmerzlich vermisst wird. Anschließend geht es wieder raus in die immer noch heiße Sommernacht.
Rats on Rafts:
https://ratsonrafts.bandcamp.com/
Pauw
Isolation Berlin
https://isolationberlin.bandcamp.com/