Am 30. September bringen die Mancunians von The Slow Show den sehnlichst erwarteten Nachfolger zu ihrem hochgelobten Erstling WHITE WATER heraus. Im Zuge des Haldern Pop Festivals hatten wir das Glück, einem exklusiven Preview Konzert zum neuen Album DREAM DARLING beiwohnen zu dürfen.
Rob Goodwin gehört ohne Frage zu der Spezies Sänger, die einem das Telefonbuch von Wanne-Eickel vorlesen könnten und man bekäme trotzdem multiple Gänsehaut am ganzen Körper. The Slow Show jedoch nur auf Goodwin zu reduzieren wäre ob des außergewöhnlichen Songwriting-Talents der anderen Bandmitglieder nicht ganz fair. Sicherlich steht der zierliche Goodwin mit dem rauchigen Bariton im Mittelpunkt, die feine Instrumentierung ist es jedoch, die den Unterschied zwischen guten und – wie im Falle von The Slow Show – herausragenden Songs macht. Diese Songs waren es auch, die viele Kritiker zu Lobeshymnen auf das Debutalbum veranlasst haben. Nun steht – einer alten Musikerbinsenweisheit folgend – das schwierige zweite Album an und man darf gespannt sein, ob den fünf Jungs aus Manchester mit DREAM DARLING erneut ein Meisterwerk gelungen ist.
Haben The Slow Show in den letzten beiden Jahren bereits das Spiegelzelt und die Hauptbühne des Haldern Pop Festivals bespielt, geben sie sich in diesem Jahr im kleinen Tonstudio Keusgen die Ehre. Die wenigen Medienvertreter und Fans, die das Glück haben, bei diesem Konzert dabei zu sein, erwartet eine Location, die eher einer Sauna als einem Tonstudio gleicht. Die Spannung unter den Anwesenden ist greifbar und auch die Band scheint zu Beginn des Auftritts nervös zu sein. Als jedoch zunächst Goodwin und danach auch die restlichen Bandmitglieder die begeisterten Reaktionen des Publikums wahrnehmen, verfliegt schnell jegliche Nervosität und man merkt den Jungs zusehends an, wie erleichtert sie sind. Was die Band an diesem heißen August-Nachmittag abliefert, kann man getrost als triumphalen Start-Ziel-Sieg bezeichnen. Die neuen Songs wirken live ähnlich erhaben wie die Stücke des ersten Albums. Dafür ist sicherlich die Bläsersektion des stargaze Orchesters mitverantwortlich. Auch wenn nur sechs Stücke des kommenden Albums gespielt werden, kann man sich doch schon jetzt sicher sein, dass DREAM DARLING mindestens genauso gut sein wird wie WHITE WATER. Die erste Single „Ordinary Lives“ ist ein typischer Slow Show Song – getragen von Goodwins Gesang und einer fantastischen Bläsersektion endet er mit einem sehr eindringlichen, immer wiederholten „This is no ordinary life“. Bei „Last Man Standing“ weiß man nicht, was berührender ist: der Song selbst oder die Geschichte, die dem Song zugrunde liegt. Goodwin schrieb ihn für einen Freund, der bei seiner Hochzeit vergeblich vor der Kirche auf seine Braut gewartet hat. Auf Nachfrage aus dem Publikum, ob es bei der Geschichte ein Happy End gäbe, antwortet Goodwin, dass der Song die Antwort gibt. Es ist immer wieder bemerkenswert, welche Reaktionen die Lieder von The Slow Show beim Publikum auslösen. Von absoluter Stille, bis hin zu der jungen Dame, die nahezu das komplette Konzert Rotz und Wasser heult.
Mit „Breaks Today“ deuten die „Slowies“ – wie sie auch liebevoll genannt werden – an, dass sie nicht nur „slow“, sondern, zumindest live, auch laut können. Eine Facette, die ihnen ausgesprochen gut steht. Zu guter Letzt zeigen sie dann mit „Strangers Now“ noch einmal, welches Potenzial in ihnen steckt. Die Besucher des Tonstudios sind sich fast alle einig, dass es einer der besten Songs ist, den die Band bisher geschrieben hat. Nach dem gefühlt viel zu kurzen Auftritt werden wir dankbar und mit dem Gefühl, einem wirklich besonderen und sehr intimen Moment beigewohnt zu haben, in die mittlerweile über dem Festivalgelände scheinende Sonne entlassen. Wer dachte, mit WHITE WATER hätten The Slow Show bereits ihren Zenit erreicht, der irrt. Sollte DREAM DARLING auf ganzer Länge auch nur ansatzweise das Niveau der sechs Songs halten, die im Tonstudio zum Besten gegeben wurden, dann wird das Zweitwerk der Mannen aus Manchester wieder in sämtlichen Jahreslisten einen der vorderen Plätze belegen und der Band den mehr als verdienten Durchbruch bescheren.
Foto: Frank Lenggenhager