Die JMC Redaktion ist ein großer Fan von Rheinschifffahrten, alleine schon wegen der drei „f“ in der Mitte des Wortes. Deshalb kreist diesen Monat der Bierdeckel auf dem KD – Dampfer :
Die Sirenen….
Auf seinem vierten Album CARE bleibt How to Dress well aka Tom Krell seiner Linie treu. Melancholische Elektropopsongs werden mit starken R’n‘B Einflüssen angereichert, wobei über allem seine Falsettstimme thront. Krell baut weiter an seinem eigenen kleinen musikalischen Biotop zwischen Indieelektronika und R’n’B. Allerdings schlägt das Pendel mehr gen letzterem und in Richtung Mainstream. Im Gegensatz zu den letzten Alben ist die Produktion sehr viel klarer, die Lofi – Elemente im Sound wurden fast völlig ausgemerzt, so dass die Songs und Elektronikparts sehr viel strukturierter und klarer sind. Angenehme Ausnahme ist der pulsierende „Salt Song“, welcher zeschreddert wird durch eingesampelte Fuzz Gitarren. Die Produktion ist wunderbar trocken, die Beats treibend und die Melodien mehr als einnehmend. Nur an einigen Stellen wird es dann doch etwas zu cheesy, wie beispielsweise mit dem Glockenspiel in „Lost you lost you“ oder „Burning Up“, so dass man erwartet, dass gleich Wham um die Ecke kommen.
Gesamteindruck: 6,5 /10,0
Das schnelle Helle: Salt Song / The Ruins/ I was terrible
VÖ: 23.09.2016 – Weird World, http://howtodresswell.com/
Der Kurschatten….
Nick Waterhouse klingt auf NEVER TWICE so abgeklärt als würde er am Morgen mit dem Whiskeyglas aufwachen und dann direkt als Hauptdarsteller in die „Mad Men“ – Kulissen schlurfen. Die Platte ist eine Zeitreise zurück in 1950er und 1960er mit Kontrabass und Drumbesen. Die Songs pendeln zwischen R&B, Soul und Jazzlounge. Ein Album, sowohl für den „All Nighter“ am Samstagabend und den Kater am späten Sonntagnachmittag. Die Hammondorgel, der knarzige Bass und der mehrstimmigen Vintage – Gesang lassen an die Stones, Billie Holiday und vor allem Ray Charles denken. So könnte „Never Twice“ auch gut als „Hit the road jack“ – Cover durchgehen. Man muss nicht erschrecken, Nick Waterhouse hat keine rückwärtsgewandte Platte, sondern vielmehr ein mitreißend tanzbares Album für den nächsten Teppichtanz heraus gebracht.
Gesamteindruck: 7,0 /10,0
Das schnelle Helle: Stanyan Street/ It’s time/ L.A. Turnaround
VÖ: 30.09.2016 – Innovative Leisure, http://nickwaterhouse.com/
Die Loreley….
Im Grunde hat Jenny Hval mit BLOOD BITCH weniger ein Popalbum aufgenommen, als eine durchgängige Klangcollage, die sich auch gut als Soundtrack für jeden Horror B-Movie eignen würde. Die Themenkomplexe drehen sich um Vampire und deren Sexualverhalten, wobei die Musikerin die verschiedensten Perspektiven einzunehmen scheint auf dem Album. Das Album ist ein Stück Avantgardekunst. Ambient- / Elektropop mit stark dunklem Goth – Einschlag legt sich unter Hvlas kindlich unschuldige Stimme. Darunter meint man immer noch eine Schicht Melodie zu erahnen, die sich in wenigen Stücken wie „Female Vampire“ stellenweise an die Oberfläche arbeitet, um dann aber um so heftiger vom Klangteppich begraben zu werden. Über der ganzen Platte liegt diese ständige Beklemmung, diese Erwartung dass das Grauen im nächsten Moment zuschlägt. Bringt man die nötige Konzentration auf, kann das Album einen packen.
Gesamteindruck: 6,0 /10,0
Das schnelle Helle: Female Vampire / Conceptual Romance/ The great undressing
VÖ: 30.09.2016 – Sacred Bones Records, http://jennyhval.com/
Die Kegeltour…
Creative Adult – Fear of Life
Relativ klassisch gehaltener 1980er Neo-Psychedelic, Midtempo Punkrock mit eingestreuten Noiseattacken, die für den richtigen Schmutz unter den Fingernägeln sorgen. Es geht alles ein wenig Richtung Wipers, The Cure und Circle Jerks, mit viel Chorus auf den Gitarren. Trotz aller Düsternis verströmt die Platte diese eigentümliche kalifornische Leichtigkeit. Wirkt ein wenig als wartete Robert Smith auf die richtige Welle, um sein Surfbrett in den Pazifik gleiten zu lassen. Kommt allerdings am besten, wenn die Drums richtig durchgeprügelt werden wie in „I can love“ oder „Charged“.
Gesamteindruck: 6,5 /10,0
Das schnelle Helle: I can love/ Charged/ Reality Tunnel,
VÖ: 05.08.2016 – Rykodisc (Warner), http://www.creative-adult.com/
Der Alleinunterhalter…
Jeff Rosenstock – WORRY
Jeff Rosenstock – Hans Dampf in allen Gassen – haut nach I LOOK LIKE SHIT und WE COOL? sein drittes Album raus und die Devise heißt: „Nicht kleckern, klotzen“! Ganze 17 Songs irgendwo zwischen Weezer’schem Pop Punk, Lagerfeuer, einer Prise SKA und einer gehörigen Portion Wahnsinn. Das alles kann auf einer 17’Song-Album-Länge ganz schön zäh und langatmig werden – wird es bei Rosenstock aber nicht. Zu abwechslungsreich ist sein Potpourri aus verzerrt-bratzigen Gitarren, Orgelklängen und dem atemlosen Geshoute von einem der Köpfe des legendären Skacore-Kollektiv Bomb the Music Industry aus Long Island, New York. Ein tolles, textlich äußerst relevantes Album, bei dem man früher palettenweise Hansa-Dosen in den Rheinauen geschossen hätte, heute ob des biblischen Alters der Redaktion lieber auf der MS Asbach mit Damen mittleren Alters über die gute alte Zeit philosophiert. Darauf einen Eierlikör!
Gesamteindruck: 7,5/10
Das schnelle Helle: Festival Song/ Wave Goodnight To Me/ Blast Damge Days
VÖ: 14.10.16, SideOneDummy Records, https://www.facebook.com/jeffrosenstockmusic/
Der Maschinenraum…
Billy Bragg & Joe Henry – Shine a light
Billy Bragg hat es in die USA verschlagen, genauer gesagt wandert er mit Joe Henry entlang der Bahntrassen durch dieses endlose Land. Herausgekommen ist eine launige Vertonung dieser uramerikanischen Sehnsucht nach Grenzenlosigkeit, Freiheit, die immer mit Einsamkeit, Zweifeln und Reue verbunden ist, gegenüber den Dingen und den Personen, die man zurückgelassen hat. Ein puristisches Singer – Songwriter Album, in denen die Gitarren höchstens durch die Mundharmonika unterstützt werden. Die beiden covern 13 Songs aus dem klassischen Amerikanischen Songbook von Künstlern wie Hank Williams, die sich alle um das Thema Eisenbahn drehen. Das zentrale Element sind die nuschelnden Stimmen von Bragg und Henry und das Talent durch Kleinigkeiten wie einzelne Akkordwechsel einen kompletten Stimmungswechsel in einen Song zu bringen. Das die beiden die Songs tatsächlich im Zug, während der Reise aufgenommen haben, gibt der Platte die notwendige Authenzität. Die richtige Platte für den bummelnden Regionalexpress von Rheine über Köln nach Krefeld. Nur das Jodeln auf „Waiting for a train“ hätte man sich sparen können. An einigen Stellen kommen die beiden so dann doch etwas zu rührselig rüber wie in „Railroading on the great device“.
Gesamteindruck: 6,5/10,0
Das schnelle Helle: The Midnight Special/ Waiting for a Train/ In the Pines
VÖ: 23.9.2016 – Cooking Vinyl/ Sony, http://shinealight-joehenry.billybragg.co.uk/
Die Leichtmatrosen…
Verspielter Indierock zwischen Folk und Punk, zwischen der Melodiösität der Munice Girls, von denen Bassistin Lande Hekt mit an Bord ist, der Trockenheit von Tribute to Nothing und der Verspieltheit Pavements. Die eingängigen 2 Minuten Songs werden immer wieder durch verquertes Gitarrengefrickel unterbrochen („Noseblood #1“), ohne dabei ihre Melodiösität einzubüßen und Hauptsongwriter Rory Matthews tut mit seiner jugendlich – schnoddrigen Stimme ein Übrigens dazu („Disguise““), das Herz eines jeden Gitarrenindieliebhabers aufgehen zu lassen. Gerade die leichte DIY Lo-Fi Attitüde, die kantigen Songstrukturen ohne auf ein Gitarrenbrett zu setzen, machen diese zurückhaltend, charmante Platte aus. Die große Frage, warum man so funktionieren muss, wie man es tut, steht inhaltlich über allem. MEOW funktioniert auf jeden Fall und sei jedem Indiefan ans Herz gelegt.
Gesamteindruck: 8,0/10,0
Das schnelle Helle: Noseblood Song #1/ Disguise/ Stopp Calling
VÖ: 2.9.2016 – Specialist Subject, https://de-de.facebook.com/thefairweatherband/
Die Halbstarken…
Druckvoll, hymnischer Mainstreampop aus der Schweiz zwischen Rock und Elektro, zwischen Reamon („Bad“, „Raise our flags“), den späten AHA („25“) und Maroon 5. Modern produziert, mit einigen Elektrosprengsel und dem notwendigen U2 – Gitarren und Streicherarrangements für den Zuckergussüberzeug. Die Rival Kings schreiben Melodien, die direkt ins Ohr gehen, aber größtenteils leider auch austauschbar sind. Ist das Ihr Anspruch, machen sie ihre Sache gut, allerdings wirken die Songs am stärksten, wenn die vorhersehbaren Strukturen aus Refrain und Strophe unterbrochen werden, beziehungsweise neue Instrumente für neue Akzentuierungen sorgen wie das Akkordeon in „War“. Wie gesagt bringen die Rival Kings den richtigen Druck auf die Straße, gerade wenn sie die Gitarren mit dem Upbeat kombinieren wie in dem Titelstück „War“. Talent scheint bei den Mannen aus Luzern mehr als genug vorhanden zu sein, nur würde sich man ab und zu wünschen, dass die Band den sicheren Pfand ein wenig mehr nach links und rechts verläßt.
Das schnelle Helle: War / Heroes/ Back in time
Gesamteindruck: 6,0/10,0
VÖ: 30.09.2016 – Deepdive records, https://www.rivalkings.net/
https://www.youtube.com/watch?v=QjxGp4W06Ro&feature=youtu.be
Reim in Flammen…
Das erste auf Sub Pop erschienene Hip – Hop Album, ist eigentlich mehr ein Perry Rhodan Hörstück. Abwechselnd spannt sich der Sprechgesang über runtergedimmten Dub und Trip Hop, summende Drone Sounds, umherschwirrende Ping Geräusche , die an vorsintflutliche Arcade Games erinnern oder über doomige Synthieeffekte. Man verliert völlig den Überblick als sich gegen Ende zunehmend Shanty Gesänge, die an klassische Volkslieder erinnern, in die Geräuschkulisse einfinden, um im nächsten Moment wieder vom Rauschen zerschossen zu werden. Eine dunkle, zähe Angelgehenheit, allerdings wer sagt schon, dass eine Raumfahrt immer lustig und schön sein muss.
Das schnelle Helle: True Believer, AIR Em out,
Gesamteindruck: 5,0/10,0
VÖ:09.09.2016, Sub Pop / Deathbomb Arc, http://www.clppng.com/
Kopf auf dem Tresen…
Die EP beinhaltet noch vier Songs zum letzten Album des in Schweden lebenden deutscher Singer – Songwriters. Kleine Songskompsoitionen zwischen Elliot Smith und Damian Jurado, wovon gerade der erste Song in voller Bandbesetzung „Lights“ zu gefallen weiß. „Golden“ ist dabei sehr britisch angehaucht, und hätte auf jedem Oasis Album seinen Platz. Macht schon wider Lust auf die nächste Veröffentlichung auf die anstehende Tour im Oktober.
Das schnelle Helle: alle,
Gesamteindruck: 7,0/10,0
VÖ: 16.09.2016 – Tapete, http://www.thelatecall.com/